Wiederaufnahme der diplomatischen Gespräche zwischen Washington und Peking

Im Rahmen des höchsten Treffens mit US-Beamten seit Monaten traf der chinesische Staatsrat Wang Yi am 10. und 11.5. in Wien mit dem nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, zu zehnstündigen Gesprächen zusammen. Zu den wichtigsten Themen gehörten Taiwan und die Ukraine. Dies wird als Zeichen dafür gewertet, daß die Kommunikationskanäle nach dem Abschuß eines chinesischen Wetterballons, der sich Anfang Februar über US-Territorium verirrt hatte (vgl. SAS 6,7/23), nun wieder geöffnet werden.

In der Erklärung des Weißen Hauses zu den Gesprächen in der österreichischen Hauptstadt heißt es: „Die beiden Seiten führten offene, substantielle und konstruktive Gespräche über Schlüsselthemen…“ Es ist ungewöhnlich, daß das chinesische Kommuniqué dieselben Adjektive zur Beschreibung der Gespräche verwendet.

Laut einem hochrangigen chinesischen Beamten, der in der Global Times vom 12.5. zitiert wird, legte Wang Yi die chinesische Position zur Taiwan-Frage umfassend dar und betonte, daß diese im Zentrum der chinesischen Kerninteressen stehe, die Grundlage des politischen Fundaments der chinesisch-amerikanischen Beziehungen bilde und die erste „rote Linie“ sei, die nicht überschritten werden dürfe. Die US-Seite bestätigte Berichten zufolge, daß sich Washingtons Ein-China-Politik nicht geändert hat und daß sie weder die Unabhängigkeit Taiwans noch „zwei Chinas“ oder „ein China, ein Taiwan“ unterstützt.

In Bezug auf die Ukraine betonte Wang, daß China nicht an der dortigen Krise beteiligt sei, aktiv Friedensgespräche fördere und alle Parteien auffordere, das Feuer nicht weiter anzufachen. Im US-Readout wird lediglich erwähnt, daß die Ukraine-Krise erörtert wurde.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg erklärte, seine Regierung habe das Treffen zwischen Sullivan und Wang Yi ermöglicht, und erklärte, daß „Wien auch in Zukunft als Ort des Dialogs für Treffen dieser Art zur Verfügung stehen wird“. Was auch immer die Beweggründe der Biden-Administration sein mögen, man kann mit Sicherheit sagen, daß ein Dialog besser ist als ein völliger Abbruch der diplomatischen Gespräche, wie es jetzt mit Rußland geschieht. Vielleicht setzt sich in Washington die Einsicht durch, daß es unklug ist, die zweitgrößte (und produktivste) Volkswirtschaft der Welt an allen Fronten direkt zu attackieren, vor allem, wenn die nicht-westliche Welt von Chinas Wirtschafts- und Handelspolitik profitiert.

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