Wird Deutschland sich über die „Risikominderungs-Politik“ der EU hinwegsetzen?

Trotz der unterschiedlichen Auffassungen zu Ukraine, Taiwan und Südchinesischem Meer war die Berichterstattung in den chinesischen Medien über den Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Chongqing, Shanghai und Peking vor einer Woche alles in allem positiv. Die Teilnahme wichtiger Firmenchefs in seiner Delegation wurde als vorteilhaft für beide Seiten dargestellt, und Scholz‘ Unterstützung für chinesische E-Auto-Exporte nach Europa gegen mögliche Verbote der Europäischen Kommission wurde als klares Nein zur „De-Risking“-Strategie der EU gegen Industrie-Investitionen in China begrüßt.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Kanzler ging Präsident Xi Jinping nicht auf die Differenzen ein, sondern betonte die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit: „Gemeinsam können wir mehr Stabilität und Sicherheit in die Welt bringen.“ Solange die bilateralen Beziehungen „den Grundsätzen des gegenseitigen Respekts, der Suche nach Gemeinsamkeiten trotz der Unterschiede und des Lernens voneinander folgen“, sollten sie sich „stabil weiterentwickeln“.

Nach Einschätzung des in China lebenden deutschen Journalisten Frank Sieren hat Scholz die China-Strategie der EU und seiner eigenen Regierung diskret „ad acta gelegt“. „Scholz hat seine Politik nunmehr der Realität angepaßt. Er unterscheidet zwischen dem, was man sich aus guten Gründen wünscht, und dem, was machbar ist“, schreibt Sieren in der Berliner Zeitung vom 18.4.. Bei seiner China-Reise „ging es also nicht mehr um weniger Zusammenarbeit, sondern wie früher darum, unter welchen Bedingungen man wirtschaftlich enger zusammenarbeitet. Deshalb waren Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck und FDP-Chef Christian Lindner auch nicht Teil der Delegation.“

Typisch für die chinesische Berichterstattung über die Rolle der deutschen Industrie war die Global Times, die Äußerungen wie denen von Maximilian Butek von der Deutschen Außenhandelskammer in Shanghai ein breites Echo gab: „Die Automobilindustrie besteht nicht nur aus Herstellern, sondern auch aus Zulieferern. Und wenn Sie diese fragen, geht es ihnen eigentlich ganz gut. Die Marktanteile, die die deutschen Autohersteller verlieren und an die chinesischen Hersteller abgeben, können von den Zulieferern aufgefangen werden. Wenn man sich die chinesischen Hersteller anschaut, dann steckt da viel deutsche Technologie von deutschen Zulieferern drin.“

Markus Steilemann, Chef des deutschen Werkstoffherstellers Covestro, dessen Innovationszentrum in Shanghai Scholz besuchte, sagte: „Unsere jahrzehntelange Präsenz in China verkörpert den Geist der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit, die für beide Seiten von großem Nutzen ist.

Der Vorstandschef der Mercedes-Benz Group AG, Ola Källenius, wird zitiert, China spiele „eine zentrale Rolle in der globalen Strategie von Mercedes-Benz, nicht nur als Heimat unseres größten Marktes und eines unserer größten Produktionsstandorte, sondern auch als eines unserer globalen Zentren für technologische Innovation.“

Und Maximilian Foerst, Präsident von ZEISS Greater China, kommentierte: „Der chinesische Markt war in den letzten Jahren nicht nur einer unserer wichtigsten Märkte, sondern auch ein entscheidender Motor für unser globales Wachstum.“

Laut offiziellen Daten beider Seiten war China 2023 das achte Jahr in Folge der größte Handelspartner Deutschlands und Deutschland das 49. Jahr in Folge Chinas größter Handelspartner in Europa.

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