Ökonom Hellmeyer warnt: Der Crash wird nicht linear verlaufen

Folker Hellmeyer, einer der populärsten deutschen Wirtschaftswissenschaftler, warnte in einem Interview mit PrivatInvestor TV am 17.4., daß die deutsche Wirtschaft gegen eine Wand läuft und daß der Absturz nicht linear verlaufen wird.

Die Weltwirtschaft erlebe eine „Fragmentierung“, erklärte Hellmeyer, wobei sich der globale Westen vom Globalen Süden abkopple, der nach Kaufkraftparität inzwischen 70% der Weltwirtschaft ausmache und weiter wachse und seine eigenen Institutionen schaffe. Diese Abkopplung verurteilt er als „masochistische Selbstgeißelung wirtschaftlicher Natur mit Wohlstandsverlusten“. Deutschland und Kontinentaleuropa seien Wirtschaftssysteme, die auf dem Import von Rohstoffen und Halbfertigprodukten beruhen, die bei hohem Energieverbrauch verarbeitet und dann exportiert werden. Durch das Abschneiden von Importmärkten und Abkoppeln von Exportmärkten „korrumpieren [wir] das deutsche und das europäische Geschäftsmodell“.

Hellmeyer warnte: „Wenn wir in der Europäischen Union und den europäischen Ländern diese Politikansätze der letzten zehn Jahre fortsetzen, dann werden wir immer dynamischer verzwergen… Das ist auch ein ökonomisches Gesetz, so wie fallende Dominosteine, das geht nachher immer schneller. Am Anfang ist es wie bei einem Staudamm, der nur eine ganz kleine Fissur hat, man sieht nur ein kleines Rinnsal, und irgendwann fliegt einem der Staudamm um die Ohren. Das heißt, dieses Risiko steht im Raum.“

Er forderte „eine vollständige Neuausrichtung innerhalb Europas. Das gilt für die Außenpolitik – daß wir eine eigene, interessenorientierte Außenpolitik machen. Wir werden so nicht mehr wahrgenommen. Wenn Herr Scholz jetzt vor den Vereinten Nationen, der Generalversammlung spricht, dann ist der Saal leer. Das hat es in der Geschichte dieses Landes seit 1949 nie gegeben…“

Die Neuausrichtung müsse umfassend sein – „das bedeutet, Bildungspolitik, Infrastrukturpolitik, Energiepolitik, Steuerpolitik, und Entbürokratisierung. Entscheidend ist aber der energetische Sektor. Und da ist Deutschland als größte Wirtschaftsnation der Europäischen Union eine Belastung für Gesamteuropa, und eine Belastung, weil wir die Verantwortung, die sich mit dieser Größe einstellt – dieser Verantwortung nicht nachkommen. Und das ist eine Verantwortung nicht nur für die anderen, es ist auch eine Verantwortung für die Menschen vor Ort und die Unternehmen vor Ort, um Vertrauen wieder zu generieren.“

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