Haaretz: „messianische Radikale“ und Netanjahu sind das Problem

Die israelische Tageszeitung Haaretz betrachtete kritisch die Äußerungen von US-Präsident Biden am 12.12. in Washington, als er Israels Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir für die Blockade einer Zwei-Staaten-Lösung verantwortlich gemacht hatte. Damit wollte Biden andeuten, daß sich Ministerpräsident Netanjahu mit den USA auf eine praktikable Politik einigen könnte, wenn er diesen Minister entläßt und einige andere Änderungen in der Regierung vornimmt.

Haaretz kommentiert, Ben-Gvir und sein Verbündeter Bezalel Smotrich seien zwar zweifellos ultranationalistische Fanatiker, aber sie seien nicht das einzige Problem. „Bei der Beschreibung der politischen Situation in Israel tat Biden Netanjahu sogar einen Gefallen, als er sagte, der Ministerpräsident ,ist ein guter Freund, aber ich denke, er muß sich ändern – mit dieser Regierung‘. Später erklärte er: ,Das ist die konservativste Regierung in der Geschichte Israels… Ben-Gvir und Co. und die Neuen, sie wollen nichts, was einer Zwei-Staaten-Lösung auch nur im Entferntesten nahe kommt.‘“

Doch in Wahrheit sei „Netanjahus Regierung alles andere als konservativ. Sie ist eine revolutionäre, rechte, radikale, messianische Regierung, die einen Regimesturz vorantreibt und von der Annexion der [Palästinenser-]Gebiete träumt.“ Auch Netanjahu selbst „scheut die Option eines palästinensischen Staates, so wie er es seit Jahren getan hat, selbst um den Preis, die Hamas zu unterstützen… Netanjahu hat seine Ablehnung eines palästinensischen Staates zum Hauptbestandteil der [politischen] Überlebenskampagne gemacht, die er derzeit führt.“

Weiter heißt es bei Haaratz, Netanjahu „handelt nicht zum Wohle Israels, sondern nur für sein politisches Überleben. Herr Biden, das Problem sind nicht ,Ben-Gvir und die Neuen‘, das Problem ist Netanjahu.“

Auch der ehemalige Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ami Ajalon, hält Israels derzeitige Politik in Palästina für einen „großen Fehlschlag“. In einer Rede vor der Washingtoner Carnegie-Friedensstiftung am 11.12. räumte er ein, daß Israels Strategie darin bestand, nach der Methode „Teile und Herrsche“ einen Konflikt zwischen der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde zu schüren, was zum Erstarken der Hamas führte.

Heute werde Israel von „Chaos-Agenten“ regiert, die in Gaza eine „menschliche Katastrophe“ herbeiführen wollen, damit „wir aus dem Chaos neu anfangen können“. Das entspreche genau der Theorie der radikalsten, fundamentalsten muslimischen Organisationen wie ISIS und Al-Kaida. Deshalb dürfe man nie in den Krieg ziehen, ohne ein politisches Ziel zu definieren.

Print Friendly, PDF & Email