Wie Putin die Aussichten der US-russischen Beziehungen einschätzt

Am 15.6. veranstaltete Wladimir Putin sein jährliches Live-Internetforum „Direkte Linie“ und beantwortete eingeschickte Fragen von Russen und internationalen Teilnehmern. Ein US-Bürger aus Arizona fragte den Präsidenten, welchen Rat er geben könne, wie man trotz der allgegenwärtigen „rassistischen Rußlandphobie“ den Amerikanern verständlich machen kann, daß Rußland nicht ihr Feind ist.

Putin dankte ihm für diese Haltung und erklärte, seiner Ansicht nach sei die Rußlandphobie „hauptsächlich ein Resultat der eskalierenden inneren politischen Machtkämpfe. Ich glaube nicht, daß ich das Recht habe, Ihnen einen Rat zu geben… Wir wissen, daß wir sehr viele Freunde in den Vereinigten Staaten haben”, genauso wie viele Russen hoffen, daß „unsere Beziehungen wieder ins Gleis kommen”.

Später ergänzte er in seiner Antwort auf eine ähnliche Frage des Chefredakteurs einer Moskauer Zeitung, ob man die Beziehungen verbessern könne, wenn Putin und Trump sich im Juli beim G-20-Gipfel treffen, auf welchen Gebieten beide Länder zusammenarbeiten sollten. Dies fange an mit der Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. „Schimpfen und Schlagabtausch mit der US-Administration wäre der schlechteste Weg, den man einschlagen könnte…” Ein anderer Bereich der Kooperation sei die Bekämpfung der Armut, die „eine der Ursachen von Radikalismus und Terrorismus ist”.

Beide Seiten hätten daran gearbeitet, „den Atomstreit mit dem Iran zu lösen, und wir haben eine Einigung erreicht, wir haben eine Lösung gefunden“. Für Syrien und den Nahen Osten im allgemeinen „ist allen Beteiligten klar, daß man ohne gemeinsame konstruktive Arbeit keine Fortschritte machen wird. Wir hoffen auch sehr auf eine konstruktive Rolle der Vereinigten Staaten bei der Beilegung der Krise in der Südostukraine.“ Das wesentliche Problem komme von innen aus den USA: „Ich habe es früher gesagt und sage es jetzt wieder, daß dies eindeutig ein Zeichen eines zunehmend intensiven inneren politischen Machtkampfes ist, und es gibt nichts, was wir dabei tun können. Wir können diesen Prozeß nicht beeinflussen, aber wir sind zu einem konstruktiven Dialog bereit.“

Die Amerikaner hatten die seltene Gelegenheit, Wladimir Putin in seinen eigenen Worten zu hören, als letzte Woche die vierteilige Dokumentation des Filmregisseurs Oliver Stone über ihn vom Sender Showtime (in Europa von Sky) gesendet wurde. Putin sprach in den Interviews über eine große Bandbreite von Themen, u.a. wie die Beziehungen sich dermaßen verschlechtern konnten, und seine Sicht möglicher Perspektiven der Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen, sowie die Fähigkeit, die Gegenwart aus Sicht der Herausforderungen der Zukunft zu betrachten. An einer Stelle forderte er ausdrücklich ein „neues Paradigma der internationalen Beziehungen“.

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