Wenn Olaf Scholz erklärt, was in der westlichen Geopolitik schief läuft

Die Äußerungen des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz auf dem Global Solutions Summit 2023 in Berlin am 15.-16.5. zeigen, daß sich die EU-Regierungen – zumindest einige – entgegen der offiziellen Darstellung aus Brüssel durchaus bewußt sind, daß sich Europa in der Welt zunehmend isoliert und der globale Süden revoltiert. Aber die Rede zeigt auch die Grenzen des derzeitigen westlichen Denkens, die einen Kurswechsel praktisch unmöglich machen.

„Die unipolare oder bipolare Welt von gestern mag – wenigstens für die Mächtigen – leichter zu gestalten gewesen sein. Sie ist aber nicht länger die Welt, in der wir leben“, sagte Scholz. „In Ländern Asiens, Afrikas und Amerikas wachsen Bevölkerungen und Volkswirtschaften. Hunderte Millionen von ihnen haben sich weltweit selbst aus der Armut befreit und gehören nunmehr zur Mittelschicht. Sie haben jedes Recht, dasselbe Maß an Wohlstand, Partizipation und weltweitem Einfluß anzustreben, das Bürgerinnen und Bürger in Europa und Nordamerika genießen. Eine globale Ordnung im 21. Jahrhundert muß dies widerspiegeln.“ Daß China, Indien, Brasilien und der „globale Süden“ die vom Westen entworfenen UN-Resolutionen gegen Rußland nicht unterstützen, spiegele die mangelnde Attraktivität des Westens wider.

Scholz ist jedoch überzeugt, daß die Regierungen, mit denen er spricht, „die Grundsätze der internationalen Ordnung durchaus nicht in Frage stellen. Was ihnen zu schaffen macht, ist deren ungleiche Anwendung.“ Glaubt er das? Tatsächlich hat der Westen nur ein einziges Prinzip, nämlich die Umsetzung von Ungleichheit.

Scholz machte es sogar noch schlimmer, indem er die EU als „Modell“ für die regionale wirtschaftliche und politische Integration der Länder des Südens empfahl. In Wirklichkeit ist die EU eine gescheiterte Organisation und wird von immer mehr Ländern als solche angesehen. Sie basiert auf den spaltenden Prinzipien des freien Marktes, im Inneren wie international. Ihre „grüne Wende“ („Binnen zwei Jahrzehnten werden wir in einer Welt leben, die ihre Energie aus Wind, Sonne und Wasserstoff bezieht“) ist nicht nur eine Illusion, sondern Teil einer neokolonialen Politik gegenüber dem globalen Süden. Dennoch schlägt Scholz vor, daß die Weltbank grüne Technologien finanziert.

Damit bleibt seine Regierung ebenjenen Institutionen treu, die der globale Süden, wie Scholz selbst zugibt, mit soviel Mißtrauen betrachtet. Ironischerweise sind beim Veranstalter, der Global Solutions Initiative, Denkfabriken der G20-Länder beteiligt, von denen viele das westliche Wirtschaftsmodell ablehnen. Deutschland könnte also zu konstruktiven Veränderungen in der globalen Zusammenarbeit beitragen – aber dazu müßte es das Paradigma, auf dem die westliche Geopolitik beruht, komplett hinter sich lassen.

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