UN-Vollversammlung: Großbritannien drängt auf eine „Wirtschafts-NATO“

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen stand in diesem Jahr weitgehend im Schatten des NATO-Rußland-Konflikts in der Ukraine und der wachsenden Gefahr eines größeren Krieges. Die Entwicklungsländer folgten jedoch nicht den Tiraden transatlantischer Regierungen gegen Rußland und in zweiter Linie China und deren Rechtfertigung der Wirtschaftssanktionen.

US-Präsident Biden hielt seine übliche Rede über „Demokratien contra Autokratien“ und schob alle Probleme der Welt auf Rußland. Und obwohl er behauptete, daß ihm die Entwicklung der ärmeren Länder am Herzen liege, kritisierte er heftig die Gürtel- und Straßen-Initiative Chinas, des Landes, das in den letzten Jahrzehnten am erfolgreichsten die Armut überwunden hat.

Er wurde jedoch in der Rhetorik von der neuen britischen Premierministerin Liz Truss noch übertroffen. Sie diskreditierte sich gleich zu Beginn mit der Behauptung, die verstorbene Königin Elisabeth II. habe „die Nachkriegswerte“ symbolisiert, auf denen die UNO gegründet wurde. Auch sie drängte auf ein systematisches Vorgehen gegen „autoritäre Regime“, nicht nur mit „Sanktionen, diplomatischen Maßnahmen und schneller militärischer Unterstützung“, sondern auch an der Wirtschaftsfront. „Die G7 und unsere gleichgesinnten Partner sollten als wirtschaftliche NATO auftreten und gemeinsam unseren Wohlstand verteidigen. Wenn die Wirtschaft eines Partners von einem aggressiven Regime angegriffen wird, sollten wir handeln, um ihn zu unterstützen. Alle für einen und einer für alle.“

Sie fügte hinzu, vermutlich zur Belustigung der Zuhörer, die „Macht der Londoner City“ werde dazu beitragen, bedürftigen Ländern Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Im Gegensatz dazu wurden in den Beiträgen aus dem Globalen Süden Themen angesprochen, die für die Bürger wirklich von Belang sind. Die südafrikanische Ministerin für internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, Dr. Pandor, betonte, die UNO müsse dringend „die Bedürfnisse der Ausgegrenzten und Vergessenen“ umfassend berücksichtigen. „Unsere größten globalen Herausforderungen sind Armut, Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und das Gefühl der Ausgrenzung. Südafrika steht wie viele andere Entwicklungsländer vor großen Entwicklungsherausforderungen, auch im Energiesektor.“ Kenias Präsident Ruto und zahlreiche andere Redner beklagten den „undemokratischen und nicht repräsentativen“ Charakter des UN-Sicherheitsrats, forderten längst überfällige Reformen und plädierten für Multilateralismus.

Der argentinische Präsident Alberto Fernandez sprach die krasse Ungleichheit des derzeitigen Weltfinanzsystems an. So habe die Corona-Pandemie die unglaubliche Ungleichheit des globalen Systems vor Augen geführt, wo sich der Reichtum in wenigen Händen konzentriere, während die Armen in Armut sterben müßten. „Wir mußten um Impfstoffe betteln“, erinnerte er sich. Fernandez beschrieb auch den Ukraine-Rußland-Konflikt als einen Krieg zwischen der NATO und Rußland, dessen Opfer größtenteils im globalen Süden zu finden seien.

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