Rentenreform: Macron folgt den EU-Forderungen

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 erhielten 17 EU-Länder Empfehlungen zur „langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“, und 15 wurden aufgefordert, ihre Rentensysteme zu reformieren. Bisher haben nur 6 dies konkret geplant, die 9 anderen sind im Verzug (Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Polen, Tschechien).

Da die EU auf eine Kriegswirtschaft zusteuert und die Geburtenraten voraussichtlich weiter sinken werden, glauben die Technokraten, daß die öffentlichen Finanzen „wegen Überalterung der Bevölkerung nicht mehr tragfähig sein werden“. Und wenn die öffentlichen Finanzen in Schwierigkeiten geraten, werden Anleger in Scharen zu den hohen Zinssätzen in den USA fliehen, was die Existenz der Eurozone bedroht.

In Frankreich stellte Ministerpräsidentin Elisabeth Borne einen Rentenreformplan vor, der das gesetzliche Mindestrentenalter bis 2030 von 62 auf 64 Jahre anhebt, und zwar ab 1.9. 2023 in einem Rhythmus von drei Monaten pro Jahr. Dies soll langfristig „die finanzielle Stabilität des Rentensystems“ sicherstellen.

Als Reaktion darauf haben alle acht großen Gewerkschaften für den 19.1. zu einem Streik- und Protesttag aufgerufen, um „eine mächtige Bewegung für die Renten auf lange Sicht zu starten“, wie es in einer gemeinsamen Erklärung heißt. Hunderttausende werden auf die Straße gehen und die Streiks werden Ölraffinerien, Verkehr, Schulen und vieles mehr lahmlegen, doch die Einigkeit unter den Gewerkschaften ist brüchig, da die beiden größten, CGT und CFDT, sich nur in der Ablehnung des vorgelegten Plans einig sind. Die „reformorientierte“ CFDT unterstützt im Prinzip eine Rentenreform, aber nicht den von Präsident Macron unterstützten aktuellen Vorschlag.

Auch der Vorsitzende der linken Partei LFI (La France Insoumise), Jean-Luc Mélenchon, kritisierte den Plan scharf als „schweren sozialen Rückschritt“. Die gesamte Linke, von der LFI bis zu den Grünen, hat für den 19.1. zu einer Demonstration aufgerufen. Widerstand kommt auch von der rechten RN (Rassemblement National); Marine Le Pen twitterte: „Die Franzosen können auf unsere feste Entschlossenheit zählen, diese ungerechte Reform zu blockieren.“

Der Gesetzentwurf wird am 23.1. offiziell vorgestellt, bevor Anfang Februar die Parlamentsdebatte beginnt. Sie ist auf 20 Tage begrenzt, was den Vorwurf der Opposition bestätigt, die Regierung wolle die Debatte abwürgen. Für eine Mehrheit braucht Macron die Stimmen der konservativen Républicains, die dies inzwischen zugesagt haben. Allerdings zeigen sich in der Partei Risse, da die Abgeordneten aus ländlichen Gebieten (das sind die meisten) wissen, daß sie ihren Sitz an die RN verlieren, wenn sie für die Reform stimmen. Die Regierung kann die Reform auch ohne Mehrheit per Dekret (Artikel 49-3) durchsetzen, aber das wäre der Beweis, wie unpopulär sie ist.

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