Präsidentschaftswahl in Argentinien: Entscheidend für BRICS und die Wall Street

Bei der argentinischen Präsidentschaftswahl am 22.10. erhielt der Kandidat der regierenden Koalition Einheit für das Vaterland (UP), Sergio Massa, überraschend 36,7% der Stimmen und schlug damit den extremlibertären Javier Milei von der Partei Die Freiheit schreitet voran (La Libertad Avanza, LLA), dessen Ergebnis mit 30,1% gegenüber den Vorwahlen vom 14.8. unverändert blieb. Die neoliberale Patricia Bullrich (24%) ist nun aus dem Rennen, Massa und Milei treten in einer Stichwahl am 19.11. gegeneinander an. Milei hat bereits an Bullrich und ihre Anhänger appelliert, sich mit ihm gegen Massa zu verbünden.

Daß Massa 10% mehr Stimmen erhielt als bei den Vorwahlen (27%), überraschte selbst viele seiner Anhänger, die vom „Massa-Wunder“ sprechen. Er ist Wirtschaftsminister der Regierung Fernández, und viele Wähler geben ihm die Schuld an der verheerenden Wirtschaftslage, die Folge eines Finanzkriegs der Wall Street und der City ist. Die Inflation liegt bei 140%, die Armutsrate bei 40% und Supermarktregale sind oft leer.

Anglo-amerikanische Medien zeigten sich schockiert über den Sieg des „Populisten“ Massa, allen voran die Londoner Financial Times, deren Bericht am 23.10. lautete: „Überraschungssieg zeigt die bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit des Peronismus“. Sie führt Massas Sieg darauf zurück, daß er den Rat des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva vor einigen Monaten befolgt habe, „nicht Dollars zu sammeln, sondern Stimmen“. Lula hatte ein Team von etwa 20 Wahlexperten geschickt, um Massa zu helfen, eine positive, zukunftsorientierte Wahlkampfbotschaft zu formulieren, statt nur gegen Mileis irrsinnige Vorschläge (wie eine „Dollarisierung“ der Wirtschaft) zu polemisieren.

Die FT klagte, „Investoren hatten am Sonntag wenig Grund zum Jubeln“, da die Favoritin der City, Bullrich, ausschied und Massa „die Sozialausgaben und Steuersenkungen, die er in den letzten Wochen angekündigt hat, wahrscheinlich noch verstärken wird“.

Das zentrale politische Thema ist jedoch Massas Absicht, daß Argentinien den BRICS beitritt, wozu es auf dem BRICS-Gipfel in Südafrika vom 22.-24.8. eingeladen wurde. Milei wie auch Bullrich lehnen die BRICS und ihre Entwicklungspolitik strikt ab, sie wollen, daß sich Argentinien eng an die Wall Street und den IWF anschließt.

Ausschlaggebend für Massas Erfolg war der überwältigende Sieg von Axel Kiciloff, dem amtierenden Gouverneur der Provinz Buenos Aires. Er gewann mit 45% in der Provinz, in der 37% der Wähler des Landes leben und die die Basis der Industrie und des Gewerkschaftsapparats ist. Kiciloff, der 2013-15 Finanzminister von Cristina Kirchner war, ist ein IWF-feindlicher Hardcore-Peronist.

Massa schnitt dank des populäreren Kiciloff in Buenos Aires überraschend gut ab. Massa sollte vielleicht seine Strategie überdenken, eine Regierung der nationalen Einheit mit so schwachen, IWF-freundlichen Figuren wie Ex-Finanzminister Roberto Lavagna oder anderen fragwürdigen Politikern zu bilden, die die „regelbasierte Ordnung“ nicht verärgern wollen. In den Wochen bis zum 19.11. ist somit eine größere politische Schlacht zu erwarten.

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