London drängt auf Krieg und noch mehr Krieg

Aus den USA sind zwei bemerkenswerte Aufrufe für Verhandlungen über die Ukraine zu vermelden. Der eine stammt von Ex-Außenminister Henry Kissinger, der im Spectator vom 17.12. einen Waffenstillstand fordert, bevor der Konflikt in der Ukraine außer Kontrolle gerät. Unter der Überschrift „Wie man einen weiteren Weltkrieg verhindert“ beschreibt er den Konflikt als „Krieg, in dem zwei Atommächte um ein konventionell bewaffnetes Land kämpfen“. Er erkennt also implizit an, daß es sich in Wirklichkeit um einen Krieg zwischen der NATO und Rußland handelt; allerdings sind die Bedingungen, die er vorschlägt, für den Kreml inakzeptabel.

Der andere Beitrag stammt vom ehemaligen US-Botschafter in der Sowjetunion (1987-91) Jack Matlock. Im Gespräch mit Alexander Mercouris von The Duran am 17.12. macht er die nützliche Feststellung, daß das Ende des Kalten Krieges kein Sieg des Westens war, sondern von Moskau und Washington so ausgehandelt wurde, daß beide Seiten davon profitierten. Er ist überzeugt, daß der aktuelle Krieg „mit ziemlicher Sicherheit vermieden worden wäre, wenn es nicht die Bedrohung durch die NATO-Erweiterung und das reale militärische Engagement der NATO-Länder in der Ukraine nach den – sagen wir – ,Unruhen‘ 2014 gegeben hätte, als die Regierung ausgetauscht wurde und viel weniger repräsentativ für das ganze Land war.“

Aus dem offiziellen Washington heißt es dagegen, man wolle immer mehr Waffen nach Kiew schicken, um die Kämpfe zu verlängern. Das gleiche hört man noch extremer aus London. Premierminister Rishi Sunak bekräftigte am 19.12. seine Ablehnung von Verhandlungen und plädierte für mehr Militärhilfe („das bedeutet mehr Luftabwehr, es bedeutet Artillerie, es bedeutet gepanzerte Fahrzeuge“), und versprach eine Mittelerhöhung im nächsten Jahr.

Der Economist klagte am 15.12.: „Der Anschein einer Pattsituation hat neues Interesse an Friedensgesprächen geweckt. Viele im Westen, die über das Leid entsetzt sind, und, was noch egoistischer ist, die hohen Energiepreise leid sind, würden dies begrüßen. Aber die ukrainischen Kommandeure argumentieren, daß das nicht zu früh passieren sollte, und sie haben Recht.“ Die Versorgung mit Waffen müsse gesteigert werden, „und zwar schnell“, darunter auch Waffen mit größerer Reichweite. Letztendlich, so das Sprachrohr der City, müßten alle von den Russen besetzten Gebiete zurückerobert werden, auch die Krim. Das ist die bekannte Linie von Präsident Selenskyj und der Kiewer Regierung.

Doch die Briten liefern nicht nur Waffen und Geld. Nach monatelangen wenig glaubwürdigen Dementis hat der ehemalige Kommandant der Royal Marines, Generalleutnant Robert Magowan, zugegeben, daß die Marines seit April an „hochriskanten verdeckten Operationen“ in der Ukraine beteiligt sind. In Globe and Laurel schreibt Magowan: „Den ganzen Sommer über waren wir intensiv an der Ausbildung von hunderten ukrainischen Militärangehörigen beteiligt. Wir planen auch, ukrainische Marines auszubilden.“

Das Pentagon will laut New York Times die Zahl der ukrainischen Truppen, die auf dem US-Stützpunkt im deutschen Grafenwöhr ausgebildet werden, ab Anfang nächsten Jahres mehr als verdoppeln. Zudem steht der Verteidigungshaushalt (National Defense Authorization Act 2023) mit Ausgaben von 858 Mrd.$ kurz vor der Verabschiedung. Ein anderer Artikel in der New York Times weist darauf hin, daß das Pentagon-Budget, wenn die Summe bewilligt wird, in den letzten zwei Jahren inflationsbereinigt um jährlich 4,3% gewachsen ist, gegenüber einem Durchschnitt von unter 1% zwischen 2015 und 2021.

Eine ganz andere Frage ist jedoch, ob die Produktion neuer Waffen mit dem Ausfall der im Konflikt zerstörten, erbeuteten oder an Mafia- und Terrorgruppen in aller Welt geschmuggelten Waffen Schritt halten kann. Der Chef des Rüstungskonzerns Raytheon, Gregory J. Hayes, hat ernsthafte Zweifel: „Wir werden mehrere Jahre brauchen, um unsere Bestände wieder aufzufüllen.“

Eilmeldung: Soeben wurde bekannt, daß der ukrainische Präsident Selenskyj am Mittwoch, den 21.12., zu einem Besuch in Washington erwartet wird. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die dortigen Gespräche auf den Verlauf des Krieges in der Ukraine haben werden.

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