London beklagt den Zusammenbruch von Global Britain

Seit der Ankündigung des US-Rückzugs aus Afghanistan schäumt das britische Establishment, wie wir letzte Woche berichteten, vor Wut über Präsident Bidens Entscheidung. Abgesehen von der Afghanistan-Frage als solcher steckt hinter der Hysterie im Vereinigten Königreich die Diskreditierung der Strategie „Global Britain“ von Premierminister Boris Johnson (s. SAS 13/21).

Diese im März mit dem Bericht Global Britain („Globales Britannien in einem Zeitalter der Konkurrenz“) angekündigte Strategie ist ein imperialistischer Plan, die „Sonderbeziehung“ zu den USA zu benutzen, um britischen Einfluß über den gesamten Globus zu verbreiten. „Unser Einfluß wird durch stärkere Allianzen und breitere Partnerschaften verstärkt werden -keine ist für die britischen Bürger wertvoller als unsere Beziehung zu den Vereinigten Staaten“, heißt es in dem Dokument. Verschiedene Sprecher des Establishments erklären, Britannien müsse Amerikas wichtigster Verbündeter bleiben, wenn es den globalen Status, den es als Empire hatte, behalten will. Präsident Bidens jüngste Schritte haben diese Pläne aus dem Gleichgewicht gebracht.

Wie Tony Blair in seinem Blog vom 21.8. beklagte: Wenn die USA ihre Strategie nicht mehr mit Großbritannien abstimmen, „laufen wir Gefahr, in die zweite Liga der Weltmächte abzusteigen“ (vgl. SAS 34/21). Der politische Chefkommentator des Sunday Observer, Andrew Rawnsley, schrieb am 22.8., Bidens Entscheidungen zu Afghanistan hätten Johnsons „Global Britain“ als „impotent und freundlos“ entlarvt.

In der Afghanistan-Frage habe Johnson weniger Einfluß auf Biden gehabt „als der Hund des Präsidenten“.

Auch Lord Kim Darroch, der ehemalige britische Botschafter in den USA, der 2019 praktisch aus Washington ausgewiesen wurde, weil er Trumps Präsidentschaft untergraben wollte (SAS 28/2019), befürchtet, daß der Abzug aus Afghanistan das Projekt „Globales Britannien“ unterminieren könnte. Es werde „ziemlich lange dauern, bis sich der Westen als Ganzes davon erholt hat“, sagte er der BBC, „um unseren Ruf wiederherzustellen“.

Und schließlich ein aufschlußreicher Kommentar aus der Boulevardzeitung Mail on Sunday: „In Whitehall und in den britischen Botschaften auf der ganzen Welt stellen sich Beamte und Diplomaten darauf ein, daß Biden eine ,America First‘-Politik verfolgt, die genauso isolationistisch ist wie die seines Vorgängers“, sprich Donald Trumps Politik für die Beendigung von Regimewechselkriegen.

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