„Laßt einen Garten inmitten von Millionen Gärten blühen!“

Es folgen Auszüge aus der Rede, die die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, in Straßburg gehalten hat.

„Welch eine Freude ist es, Menschen aus so vielen Nationen hier in Straßburg persönlich begrüßen zu dürfen, nachdem die Umstände uns über drei Jahre gezwungen haben, unsere Schiller-Konferenzen nur virtuell abzuhalten! Aber wir haben diese Zeit gut genutzt, indem wir so viele neue Kräfte weltweit zusammengebracht haben, daß wir jetzt in diesem entscheidenden Moment der Weltgeschichte zusammen intervenieren können, um ein neues Paradigma für die Zukunft der Menschheit zu schaffen!

Um es gleich vorauszuschicken: Auch wenn sich unser Kontinent in einer existentiellen Krise befindet, wir werden seinen Untergang nicht zulassen, sondern wir werden das Beste, was die europäische Kultur hervorgebracht hat, und was jetzt hinter den Sprechblasen einer dekadenten Gegenkultur und der Barbarei des ewig Gestrigen verschüttet ist, lebendig machen und in die Gestaltung des Neuen Paradigmas mit einbringen!

Wir befinden uns zweifellos im gefährlichsten Moment, dem die Menschheit je ausgesetzt war, denn wir stehen extrem kurz davor, uns als Gattung auf diesem Planeten auszulöschen, was die Konsequenz eines globalen Nuklearkrieges sein würde. Und im Gegensatz zur Propaganda der transatlantischen Mainstream-Medien ist die Gefahr weder eine Konsequenz des ,unprovozierten Aggressionskrieges Rußlands‘ noch des ,immer aggressiver auftretenden imperialen Machtanspruchs Chinas‘, sondern des skrupellosen Spiels mit dem atomaren Feuer seitens der transatlantischen Kräfte, die mit allen Mitteln versuchen, eine unipolare Dominanz über die Welt auszuüben – zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Welt längst in eine multipolare Richtung entwickelt hat.

Während die Medien unisono jeden als ,Putin-Versteher‘ verunglimpfen, der wagt zu denken, daß die Geschichte nicht erst am 24. Februar 2022 begonnen hat und die NATO und die US- Regierung Organisationen finanziert, die Menschen auf Listen setzen, die lebensgefährlich sind, haben sich die Nationen des Globalen Südens sehr wohl eine unabhängige Sicht der Dinge errungen. Die trotz gegenteiliger Versprechen sechsfach ausgeführte Ostausweitung der NATO über 1000 Kilometer an die Grenzen Rußlands heran ließ sich ebensowenig verheimlichen, wie die Anstrengungen des Nord-,atlantischen‘ Verteidigungsbündnisses, sich nunmehr im Indopazifischen Raum als Globale NATO auszubreiten. Vor allem aber mit den immer unverhohleneren und arroganteren Appellen, mit denen die Vertreter der ,regelbasierten Ordnung‘ verlangen, daß sich die ganze Welt ihren Intrigen und ihrem modernen Ablaßhandel, wie einer Emissionssteuer oder CO2– Emissionshandel, unterwerfen soll – mittels derer sie die Existenz des hoffnungslos bankrotten neoliberalen Finanzsystems wenigstens noch etwas zu verlängern hoffen -, haben sie den Rubikon überschritten…

Wir erleben derzeit einen Epochenwechsel, allerdings nicht von der Art, von der Bundeskanzler Scholz am 24. Februar 2022 sprach, der auf die Militarisierung Europas als Protektorat der USA hinausläuft, sondern wir sehen das Ende der rund 500 Jahre andauernden Kolonialzeit, die die Staaten des Globalen Südens mit der Hilfe Chinas und der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) endgültig abzuschütteln entschlossen sind…

Das Ende der Ära geopolitischer Blöcke

Über 30 Nationen haben einen Mitgliedsantrag bei den BRICS gestellt, zu denen dann die bevölkerungsreichsten Staaten der Welt gehören werden. Der hauptsächlich von den USA und den Briten ausgehende Versuch, sich von China ,abzukoppeln‘ oder zu ,de-risken‘, wie diese alberne Formulierung inzwischen heißt; – von China, mit dem alle diese Staaten inzwischen eng verbunden sind -, kann nur zu einem wirtschaftlichen Selbstmord, oder zu einer ebenso selbstmörderischen geopolitischen Blockbildung führen, die ebenso die Saat für einen Weltkrieg in sich trüge.

Angesichts dieser tektonischen Machtverschiebung, wie sie höchsten ein oder zweimal in einem Jahrtausend stattfindet, müssen sich die europäischen Nationen, aber genauso Amerika, entscheiden, ob sie mit dieser neu entstehenden Weltordnung produktiv kooperieren wollen, oder ob sie mit der NATO, den USA, und Großbritannien auf die totale Konfrontation und den Versuch der Unterdrückung der absoluten Mehrheit der menschlichen Gattung zusteuern wollen. Mit der Entscheidung zwischen diesen beiden Optionen wird zugleich unsere moralische Überlebensfähigkeit getestet…“

(Frau LaRouche verwies dann auf zwei Papiere, in denen eine dramatische Eskalation des Konflikts in der Ukraine gefordert wird, die kürzlich von zwei führenden Berliner Denkfabriken herausgegeben wurden: der Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP, und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, DGAP, die beide der Regierung nahestehen.)

„Was für ein Alptraum! Die weitgehend zerstörte Ukraine soll in ein waffenstarrendes Land verwandelt werden, einen ,Igel‘, oder eher in einen permanenten Goldesel für den Militärisch-Industriellen Komplex auf beiden Seiten des Atlantik, die Ukraine soll ein ,eingefrorener‘ Konflikt werden, der jederzeit aktiviert werden kann, als permanente Überschreitung der roten Linien Rußlands, das in der Zwischenzeit ,ruiniert‘ (Baerbock) oder ,dauerhaft geschwächt‘ (Austin, RUSI, Stoltenberg etc.) werden soll.

Kein einziger Gedanke an ein Ende des Krieges durch Diplomatie, keine Friedensverhandlungen, keine positive Vision für die ukrainische Bevölkerung, und schon gar nicht eine Friedensordnung für die Welt als Ganze! Welch ein häßlicher, destruktiver Geist präsentiert sich hier, keine menschliche Rührung beeinflußt das Denken, kalt wie ein Roboter, der von einem wurmstichigen Algorithmus gelenkt wird! …

Den Vogel abgeschossen hat aber Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außenpolitik, der auf einem ganz hohen Roß saß, als er in einer Rede in der Europäisch-Diplomatischen Akademie in Brügge kürzlich meinte, daß Europa ein Garten sei, der größte Teil der restlichen Welt hingegen ein Dschungel, der in diesen Garten eindringen könne…

Bei Borrells deplaziertem Gartenvergleich wird man an den 10. Auftritt im 2. Akt in Schillers Schauspiel Don Carlos erinnert, als der Marquis von Posa, der sich als Weltbürger versteht und die Befreiung Flanderns vom spanischen Joch im Herzen trägt, König Philipp II. gegenüber tritt, dem absoluten Herrscher von Spanien, dem Reich, von dem damals gesagt wurde, daß in ihm ,die Sonne nie untergeht‘. Philipp sagt hier ganz ähnlich:

,Sehet in meinem Spanien Euch um.

Hier blüht des Bürgers Glück

in nie bewölktem Frieden; und diese Ruhe

gönn ich den Flamändern.‘

Und Posa antwortet:

,Die Ruhe eines Kirchhofs,

Und Sie hoffen… den allgemeinen Frühling aufzuhalten,

der die Gestalt der Welt verjüngt? Sie wollen –

Allein in ganz Europa – sich dem Rade

des Weltverhängnisses, das unaufhaltsam

in vollem Laufe rollt, entgegenwerfen?

Sie werden nicht! …‘

Die große Mehrheit in Deutschland z.B. hat kein Vertrauen mehr in die Regierung, und laut jüngsten Umfragen sind 79% nicht zufrieden mit der Politik der Regierung. Hier in Frankreich haben wir jüngst gesehen, wie es mit dem sozialen Gefüge im ,Garten‘ bestellt ist.

Keine Mauer könne hoch genug sein, um den Garten zu schützen, meint Borrell? Nun, wir sehen an den Außengrenzen der EU, wie diese Mauern aussehen; Papst Franziskus bezeichnete die Auffanglager für Flüchtlinge in den Anrainerstaaten Europas treffenderweise als KZs, die von hohen, mit NATO-Draht geschützten Mauern umgeben sind, und deren demonstrierte Schrecklichkeit die Menschen davon abhalten soll, sich in kleinen Booten aufs Mittelmeer zu wagen, das längst zu einem grauenhaften Massengrab geworden ist.

Der Beitritt zum neuen Paradigma wird für Europa vorteilhaft sein

Nein, Herr Borrell, dieses Europa ist kein Garten. Es ist ein Kontinent, den fähige Politiker wie Charles de Gaulle und Konrad Adenauer aus dem Trümmerhaufen des Zweiten Weltkrieges in eine bessere Zukunft führen wollten und den eine durch und durch dekadente politische Kaste, die ihre Friedenspflicht ad acta gelegt hat, heute dabei ist, in eine erneute Katastrophe zu führen, die die Schrecken des Zweiten Weltkriegs bei weitem zu übertreffen droht.

Und wenn weite Teile der Welt außerhalb Europas vielleicht an einen Dschungel erinnern, dann deshalb, weil Europa in den vergangenen Jahrhunderten Afrika nicht entwickelt hat, sondern bekannte Familien in der transatlantischen Welt ihre Vermögen auf dem Sklavenhandel aufgebaut oder vom Opiumhandel profitiert haben oder Profit ziehen aus dem modernen Nachfolger des Kolonialismus, der Kasino-Wirtschaft, in der die Reichen die Regeln bestimmen in unserer ach so fantastisch organisierten ,regelbasierten Ordnung‘.

Oder vielleicht sind andere Regionen ein Dschungel, weil die transatlantischen Interventionsarmeen darin gehaust haben, wie die NATO 20 Jahre in Afghanistan, eine Zeit, in der nichts aufgebaut wurde, nur um ein Land in Schutt und Asche zu hinterlassen. Oder wie im Irak, das von einem ins Moderne aufsteigenden Land zurückgebombt wurde in das Steinzeitalter, und bei dem Madeleine Albright den Tod von 500.000 irakischen Kindern einen angemessenen Preis für das Recht fand, das Land weiter zu ruinieren. Man könnte die Liste noch um einiges fortsetzen, warum einige Länder dieser Erde keine Gärten sind, Syrien, Jemen, Libyen, Haiti usw.

Doch es gibt einen Ausweg. Die Nationen des Globalen Südens, deren Existenz von der G7 gerade vor kurzem erst entdeckt wurde, und die die überwältigende Mehrheit der Menschheit repräsentieren, sind längst dabei, die Fesseln des modernen Kolonialismus abzuschütteln und eine neue internationale Währung, neue Entwicklungsbanken, ein neues Kreditsystem zu schaffen…

Wir müssen in Europa – ja, auch in Amerika – den ohnehin zum Scheitern verurteilten Versuch aufgeben, den Aufstieg dieser Länder durch eine Abkopplung oder ,De-risking‘ einzudämmen, sondern wir müssen Konfrontation, die ohnehin nur dem Militärisch-Industriellen Komplex nützt, durch Kooperation ersetzen. Deutschland, Frankreich, Italien und alle anderen europäischen Nationen müssen Teil des neuen Paradigmas bei den internationalen Beziehungen werden. Unser Mittelstand, der jetzt unter dem alten Paradigma bankrott geht, kann nicht nur helfen, den Inga-Damm zu bauen, sondern auch das Transaqua-Projekt zu verwirklichen, das zwölf weitere Staaten in Afrika mit Elektrizität versorgen wird, und wir können mit China dabei kooperieren, den ganzen Globalen Süden mit einem Schnellbahnsystem auszustatten, Häfen, Wasserwege bauen, Wüsten durch die großangelegte Entsalzung von Meereswasser begrünen, neue Städte bauen.

Ja, und wo wir schon einmal dabei sind, können wir auch unsere eigene marode Infrastruktur erneuern…

Europa – und Amerika – auf diesen Kurs zu bringen: Dazu verpflichten wir uns. Und erinnern wir uns, was Posa weiter zu König Philipp sagte und was wir den vielen Borells heute mit Schiller sagen:

,Geben Sie die unnatürliche Vergöttrung auf,

die uns vernichtet! …

Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit,

Und säen Tod? Ein so erzwungnes Werk

Wird seines Schöpfers Geist nicht überdauern…

              Geben Sie,

Was Sie uns nahmen wieder! Lassen Sie,

Großmüthig, wie der Starke, Menschenglück

Aus Ihrem Füllhorn strömen – Geister reifen

In Ihrem Weltgebäude, Geben Sie,

Was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie,

von Millionen Königen, ein König!

Nun, wir brauchen heute keine Könige mehr, aber in Abwandlung von Posas Worten laßt uns sagen:

Laßt einen Garten von Millionen Gärten blühen!

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