Kanzler Scholz kapituliert vor den Kriegstereibern

Auf dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am 20. Januar in Ramstein antwortete der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius mit einem „Nein“ auf die Bitte, Leopard-2-Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken, was eine Flut von Angriffen auf ihn und Bundeskanzler Scholz auslöste, weil sie „die Ukraine den Krieg verlieren lassen“. Doch vier Tage später gab Berlin nach Informationen des Spiegels nach und erklärte sich bereit, einige Leopard-2-Panzer zu schicken und anderen Ländern die Möglichkeit dazu zu geben. Es ist noch nicht klar, wie viele und wann sie geschickt werden, aber Moskau hatte bereits signalisiert, daß dies als Eskalation betrachtet werden würde.

Tatsache ist, daß Bundeskanzler Scholz in seiner eigenen Regierung isoliert war und im Bundestag eine Mehrheit gegen ihn zu erwarten hatte. Seine beiden Regierungspartner, die Grünen und die FDP, machten nämlich deutlich, daß sie sich im Falle einer Abstimmung auf die Seite der CDU-CSU stellen würden, während die Führung der Sozialdemokraten des Kanzlers, einschließlich des Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich und des SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert, die Verweigerung der Entsendung von Panzern unterstützten.

So mehren sich die Anzeichen, daß es in Berlin zwei Regierungen in einer gibt: auf der einen Seite die Grünen und die FDP, die auf mehr Waffenlieferungen drängen, auf der anderen Seite die SPD, die sich weiter sträubt, modernere Waffen nach Kiew zu schicken. Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen ist die schärfste Befürworterin einer Eskalation und widerspricht darin offen der Politik des Kanzlers.

Kritiker werfen Scholz vor, Deutschland im Westen völlig isoliert zu haben. Das stimmt nicht ganz, jedenfalls nicht für die Schweiz, die als führender Rüstungsproduzent die Lieferung von in der Schweiz produzierter Munition für deutsche Fahrzeuge in die Ukraine blockiert. Zeitgeschehen, eine führende Schweizer Zeitschrift, veröffentlichte am 18.1. ein langes Interview mit dem ehemaligen deutschen Generalinspekteur der Bundeswehr, Gen. Harald Kujat, in dem er das Fehlen von Diplomatie zur Beendigung des Krieges anprangert. Er betont, auf dem Schlachtfeld gebe es keine Lösung, und verweist auf ähnliche Einschätzungen des US-Generalstabschefs Mark Milley. Außerdem widerlegt Kujat die Behauptung, Rußland verweigere Verhandlungen: die Gespräche im April/Mai habe der damalige britische Premierminister Boris Johnson sabotiert.

Am 23.1. wies die Neue Zürcher Zeitung auf einen Aspekt hin, den deutsche Mainstream-Medien totschweigen: Der „Militärisch-Industrielle Komplex“ der USA hat ein großes Interesse daran, daß die Bundeswehr ihre Waffenbestände leert und in die Ukraine liefert, damit er den Deutschen neue Waffen verkaufen kann. Die Franzosen hätten diese US-Methoden erlebt, so die NZZ, als die australische Regierung plötzlich einen bereits unterzeichneten Vertrag mit Frankreich aufkündigte, um amerikanische U-Boote zu kaufen. Der Artikel erschien einen Tag nach der Sitzung des Deutsch-Französischen Ministerrats, wo Präsident Emmanuel Macron eine Leerung der französischen Waffenbestände zugunsten der Ukraine klar ablehnte und vor einer Eskalation des Krieges warnte.

Innenpolitisch wurde Scholz‘ ursprüngliche Position implizit durch eine Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes (BND) gestützt, die Sicherheitspolitikern des Bundestages mitgeteilt wurde. Demnach erleide die Ukraine entgegen der allgemeinen Propaganda enorme Verluste, was bei allen Diskussionen über Unterstützung für Kiew zu berücksichtigen sei. Diese Information wurde am 20.1., dem Tag des Treffens in Ramstein, im Spiegel veröffentlicht. Sie untermauert Kujats Ansicht, daß jetzt der beste Zeitpunkt für die Wiederaufnahme von Gesprächen über einen Waffenstillstand in der Ukraine ist, um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen.

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