Globale Instabilität könnte Mileis „Kettensägen-Pläne“ zunichte machen

Jeder vernünftige Mensch wäre entsetzt, wenn er das Wirtschaftsprogramm des designierten argentinischen Präsidenten Javier Milei analysiert, der sich „Anarchokapitalist“ nennt und am 10.12. sein Amt antreten wird. Für die Lösung der gewaltigen wirtschaftlichen Probleme des Landes – 140% Inflation, 133% Zinsen und 40% Armut – hat er geschworen, dieselbe faschistische Sparpolitik der Österreichischen Schule der Ökonomie des Friedrich von Hayek anzuwenden, die von der Pinochet-Diktatur in Chile (1973-80) und der Militärjunta in Argentinien (1976-83) so brutal durchgesetzt wurde.

Bei Wahlkampfauftritten trug der libertäre Kandidat eine Kettensäge mit sich als Symbol für seine Absicht, den „allgegenwärtigen“ Staat zu zerstören – unter anderem durch Abbau des sozialen Sicherheitsnetzes und Privatisierung aller staatlichen Einrichtungen und Infrastrukturprojekte. Im Namen der „Freiheit“ soll der Bundeshaushalt in Stücke gerissen werden. „Dies ist keine Zeit für kleine Schritte, keine Zeit für Schwäche“, sagte Milei in einer Rede am 20.11., „die Veränderungen werden drastisch sein.“

In der Außenpolitik wollte Milei sich der zerfallenden unipolaren Welt anschließen und die USA, Israel und andere Länder der „freien Welt“ zu den engsten Verbündeten machen. Laut seiner künftigen Außenministerin, der neoliberalen Ökonomin Diana Mondino, wird Argentinien nicht wie geplant am 1.1. 2024 den BRICS beitreten, was für das Land einen Wendepunkt bedeutet hätte. Sie behauptet, die BRICS böten dem Land keine Vorteile, und da sich Argentinien „der ganzen Welt öffnen“ werde, bestehe keine Notwendigkeit, sich einem bestimmten Block anzuschließen.

Man sollte jedoch nicht glauben, daß Milei all dies umsetzen kann. Unter den Bedingungen der nationalen und internationalen Instabilität und vor dem Hintergrund einer globalen Finanzkrise ist nichts sicher. Als der Londoner Economist in einem Leitartikel vom 20.11. Milei die Linie vorgab, wurden auch dort Zweifel daran geäußert, ob er schnell einen Konsens für seine Politik herstellen kann, damit die Argentinier nicht auf die Straße gehen. Seit dem Wahlsieg am 19.11. hat Milei sein Kabinett so oft umbesetzt, daß niemand mehr den Überblick hat. Seine beiden wichtigsten Wahlkampfansagen – die Wirtschaft auf den US-Dollar umzustellen und die Zentralbank zu schließen – hat er bereits wieder zurückgenommen, und er rückte auch von seinem verrückten Versprechen ab, die Beziehungen zu den „kommunistischen“ Ländern Brasilien und China, Argentiniens beiden größten Handelspartnern, abzubrechen,.

Als sicher schien nach der Wahl Mileis Bündnis mit dem ehrgeizigen und berechnenden neokonservativen Ex-Präsidenten Mauricio Macri (2015-19), der Milei nach der ersten Wahlrunde am 22.10. mit seiner PRO-Partei unterstützte und drei seiner Leute in das neue Kabinett hieven konnte, darunter Ex-Finanzminister Luis Caputo in demselben Posten. Aber es gibt im Kabinett sichtbare Spannungen zwischen den Fraktionen von Milei und Macri, so daß die oft wiederholte Phrase „Milei an der Regierung, Macri an der Macht“ keineswegs selbstverständlich ist.

 

 

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