Frankreich: Regierung setzt Arbeitsmarktreform trotz wachsender Proteste durch

Die französische Regierung der in sich gespaltenen Sozialistischen Partei (PS) mußte am 12.5. aus Verzweiflung auf Sondervollmachten laut Artikel 49-3 der Verfassung zurückgreifen, um ihre Arbeitsmarktreform ohne Parlamentsabstimmung in Kraft zu setzen.

Mit dem neuen Gesetz soll erreicht werden, was der Weltwährungsfonds und die EU-Kommission im Interesse der Banken „zur Rettung des Euro“ gefordert hatten: längere Arbeitszeiten, weniger Sicherheiten für Arbeitsplätze und weniger Schutz für die Beschäftigten. Bisher waren die Beschäftigten in Frankreich durch ein nationales Arbeitsgesetz geschützt, das für alle Beschäftigten galt, nun erlaubt die „Reform“ es den Arbeitgebern, die Arbeitsbedingungen direkt mit Beschäftigten auszuhandeln und Verträge zu schließen, die gegen die derzeitigen Arbeitsgesetze und Tarifrechte verstoßen.

Die Mobilisierung gegen das neue Gesetz begann im März, als der PS nahestehende Studentenverbände, die 2012 Hollandes Wahl unterstützt hatten, zu Protestaktionen aufriefen. Als die Gewerkschaften sich den Protesten der jungen Demonstranten anschlossen, gingen mehr als eine Million Menschen auf die Straße. Daraufhin beschloß die Regierung, um die Kritiker zu beschwichtigen, mehrere Änderungen im Gesetzentwurf, die aber den Konservativen und dem Arbeitgeberverband MEDEF, die das Gesetz unterstützt hatten, zu weit gingen, weshalb diese sich ebenfalls gegen das Gesetz wandten.

Die immer mehr geschwächte und isolierte Regierung ordnete dann verzweifelt eine rücksichtlose Unterdrückung der Demonstrationen an und mobilisierte dafür auf der Grundlage des Ausnahmezustands, der im November nach dem Terroranschlag auf das Bataclan-Theater ausgerufen worden war, Massen von Bereitschaftspolizei. Als die Demonstrationen trotzdem nicht aufhörten, beschloß die Regierung unter dem wachsenden Druck der Banken und der EU, aufs Ganze zu gehen.

Da Premierminister Valls in der Nationalversammlung keine Mehrheit für das Gesetz zustandebrachte, griff er auf Artikel 49-3 zurück. Die Opposition beantragte daraufhin ein Mißtrauensvotum im Parlament, das die Regierung aber erwartungsgemäß überstand.

Die Annahme des Gesetzes gilt als Wendepunkt und vor allem als Ausdruck der Verachtung der Eliten für das Volk. Während die PS erwägt, parteiinterne Gegner des Gesetzes auszuschließen, planen die Eisenbahner, Studenten, die Air-France-Piloten und viele andere bereits neue Aktionen.

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