EZB unterließ es bewußt, die Risiken einzuschätzen.

Marco Zanni, Mitglied des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungsfragen im Europaparlament, hielt bei der Konferenz des Schiller-Instituts am 25. Juni einen Vortrag, in dem er die „falsche Politik“ der EU-Regierungen und Brüssels verurteilte, die zum Kollaps des europäischen Finanzsystems geführt habe. Insbesondere warf er der Europäischen Zentralbank vor: „Die EZB schaut bei der Bewertung dieser Risiken bewußt weg. Das ist eine politische Entscheidung.“

Der entscheidende Punkt ist, daß die EU nach der Finanzkrise von 2008 versucht habe, Finanzregulierungen einzuführen, die darauf abzielten, die Folgen der Krise zu überwinden, anstatt sich darauf konzentrieren, neue Krisen zu verhindern. Deshalb habe man den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) auf der Grundlage falscher Voraussetzungen geschaffen. „Der Fehler in der Analyse und Methode der EZB liegt darin, daß sie nur das Kreditrisiko in der Bilanz des europäischen Bankensystems bewertet…. Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus ist so angelegt, daß er die Risiken in Verbindung mit Level 3, d.h. das Derivatrisiko des europäische Bankensystems, gar nicht bewertet und berücksichtigt. Das ist ein riesiger Fehler, der die Stabilität des europäischen Bankensystems gefährdet.“

Level-3-Vermögenswerte sind illiquide Finanzwerte. Ihr Preis, ihre Summe in der Bilanz der Aktivseite einer Bank, wird anhand eines internen Modells von der Bank selbst festgelegt, die ein Eigeninteresse daran hat, eine bestimmte Größe für den Wert dieser Anlagen festzusetzen.

Deshalb werden bei den Streßtests des SSM Banken mit faulen Krediten an die physische Wirtschaft, die aufgrund der Austeritätspolitik der EU in Schwierigkeiten geraten ist, benachteiligt. Im Gegensatz dazu werden Banken mit übermäßigen Derivatportfolios, wie die Deutsche Bank oder BNP Paribas begünstigt, sagte Zanni.

Das italienische Bankensystem zeige die Unausgewogenheit dieses Ansatzes: „Italienische Banken haben Probleme wegen ihrer Belastung mit faulen Krediten, aber das ist ein ,krisenbedingter Fehler’, wie ich es nenne, denn wenn die Wirtschaft schrumpft, wenn der Mittelstand bankrott geht, wenn die Hausbesitzer ihre Hypotheken nicht mehr bedienen können und Kreditnehmer ihre Raten nicht mehr bezahlen können, dann leidet das Bankensystem natürlich unter der großen Belastung fauler Kredite. Wenn die Wirtschaft nicht gut läuft, werden Probleme auf den Kreditmärkten und Probleme mit faulen Krediten auftreten.“

Zanni beschrieb dann zwei Vorschläge, die von der M5S-Fraktion im Europaparlament vorgebracht wurden:

„(1.) Wir müssen eine Art modernes Glass-Steagall-Gesetz für Europa einführen, das die Regulierung des Bankensystems vereinfacht und eine Trennung zwischen dem Kernbereich einer Bank und einer spekulativen Bank herstellt. So schaffen wir ein Bankensystem, das nicht mehr der Spekulation im Finanzsystem dient, sondern den Bedürfnissen der Realwirtschaft und der Bevölkerung…

(2) Das italienische Schatzamt… sollte für die Monte dei Paschi di Siena klare Vorgaben machen, damit sich die Bank wieder eindeutig an den Bedürfnissen der Realwirtschaft orientiert. Wir werden nicht zulassen, daß Monte dei Paschi weiter Wertpapierhandel und Derivatehandel betreibt, sondern der Auftrag der Bank wird einfach sein, im Dienste der Öffentlichkeit Kredite zu vergeben, um die Realwirtschaft zu fördern.“

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