Erster kommerziell genutzter Hochtemperaturreaktor der Welt – in China

International ist das Interesse an der Weiterentwicklung der Kernenergie groß, und die Branche ist sehr lebendig, wie man auf der World Nuclear Exhibition (WNE) vom 28.-30.11. in Villepinte bei Paris sehen konnte. Von den mehr als 700 Ausstellern aus 76 Ländern kamen jedoch nur 29 aus Deutschland, der Atomausstieg der Regierung treibt den einstigen Pionier dieser Technologie in die Bedeutungslosigkeit. Doch andere Länder, vor allem China, verbessern Technologien, die ursprünglich von Deutschen entwickelt wurden. Das gilt nicht zuletzt für Hochtemperaturreaktoren, für die von Anfang 1974 bis Ende 1987 in Jülich eine Versuchsanlage in Betrieb war.

Während der Ausstellung in Villepinte meldete die World Nuclear Association, daß die Chinesen den kommerziellen Betrieb eines gasgekühlten Hochtemperaturreaktors (HTR-PM) aufgenommen haben, nachdem zwei solcher Module mit je 200 MW im August und September erfolgreich 168 Stunden lang in Betrieb waren. Damit ist China weltweit führend in der Forschung, Entwicklung und Anwendung von Kernkrafttechnologien der 4. Generation.

Der HTR-PM in Shidaowan verwendet Helium als Kühlmittel und Graphit als Moderator. Der in Graphitkugeln eingebettete Brennstoff weist nach Angaben der China Nuclear Energy Association hohe inhärente Sicherheitseigenschaften auf, selbst bei Temperaturen, die höher sind als in extremen Unfallsituationen. Die Technik nutzt viele Elemente des ursprünglichen deutschen Konzepts, aber der Shidaowan-Reaktor enthält mehr als 2200 neuartige Teile, und die Produktionslinie für die Brennelemente hat die größte Kapazität der Welt.

An dem Gemeinschaftsprojekt sind die Tsinghua-Universität, die China Huaneng Group und die China National Nuclear Corporation beteiligt. Ein Sprecher der Universität erklärte zu den erfolgreichen Tests:

„Zum ersten Mal auf der Welt konnten Reaktoren im kommerziellen Maßstab auf natürliche Weise ohne Notkühlsysteme für den Kern abgekühlt werden. Das ist der ,inhärent sichere Reaktor‘. Der Hauptzweck des HTR-PM ist die gleichzeitige Erzeugung von Hochtemperaturdampf (bis zu 500°C) und Strom. Auf dem chinesischen Markt ist es heute kostengünstig, Dampf und Strom für die petrochemische Industrie zu liefern, statt Erdgas und Kohle zu verbrennen. Diese bahnbrechende Technologie wird anerkanntermaßen eine positive Rolle bei der Optimierung der Energiestruktur und der Verwirklichung von Chinas Emissionszielen spielen. Mehrere kommerzielle Projekte sind in China in Vorbereitung.“

Der HTR-PM ist nicht nur ein wichtiger Schritt in Chinas nationaler industrieller Entwicklungsstrategie, sondern auch für künftige Exporte in andere Länder, insbesondere solche, in denen Süßwasserressourcen zu knapp sind, um als Kühlmittel für Reaktoren zu dienen. Das gilt für viele Länder des Globalen Südens, deren Regierungen die Kernkraft ausbauen möchten.

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