Die Schweiz wirft zwei Jahrhunderte Neutralität über Bord

Am 28.2. übernahm die Schweizer Regierung, der Bundesrat, alle Sanktionen der EU gegen Rußland und verwarf damit die lange Tradition der Schweizer Neutralität. Dies war eine Umkehr von einer früheren Ankündigung der Regierung, die EU-Sanktionen nicht zu unterstützen, sich aber darum zu bemühen, daß die Schweiz nicht zu deren Umgehung benutzt wird, nachdem Brüssel massiven Druck ausgeübt hatte.

Alt-Bundesrat Christoph Blocher von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) bedauerte nach der Ankündigung, die Schweiz könne als neutrale Vermittlerin gegenüber Rußland kaum noch eine glaubwürdige Rolle spielen. Wirtschaftssanktionen seien eine Kriegshandlung und würden die laufende Aggression nicht verhindern. In einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung verurteilte er den russischen „Angriffskrieg“, betonte aber: „Die USA und die EU beteiligen sich an diesem Krieg mit wirtschaftlichen Sanktionen. Mit einer Brotsperre – wie man dies im Mittelalter nannte. Man versucht, ein Volk auszuhungern, um so die Führung zu zwingen, den Krieg aufzugeben. Wer hier mitmacht, ist eine Kriegspartei.“

Blocher fuhr fort: „Als neutraler Staat darf die Schweiz sich nicht dazu hinreißen lassen, Partei zu ergreifen. In solchen Fällen friert die Schweiz den bisherigen Handel ein – geht nicht über den Courant normal hinaus, um keine Kriegspartei zu begünstigen. Durch die Teilnahme an den Sanktionen ist die Schweiz jetzt im Krieg. Dabei müßte man doch jetzt alles unternehmen, um diesen furchtbaren Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Als neutrales Land hätte die Schweiz einen besonderen Beitrag leisten können. Diese Chance hat sie nun leichtfertig vertan.“

Auf die Frage, ob er ernsthaft der Meinung sei, daß die Schweiz dem Krieg diene, antwortete Blocher: „Eindeutig. Ein Friedensstifter müßte doch ein Interesse daran haben, die Parteien an einen Tisch zu bringen – in neutraler Umgebung. Im Westen gibt es kein anderes Land, das seine Guten Dienste in diesem Sinne hätte anbieten können… Je schlimmer es in der Welt zugeht, desto wichtiger ist die Neutralität. Die Nichteinmischung ist nicht nur Selbstschutz, sie ermöglicht erst die Guten Dienste.“

Die Entscheidung verstößt auch möglicherweise gegen die Bundesverfassung. Sie erteilt dem Parlament in Art. 173 den Auftrag, „Maßnahmen zur Wahrung der äußeren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz“ zu treffen, und Art. 183 sieht vor, daß der Bundesrat ebenso „Maßnahmen zur Wahrung der äußeren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz“ trifft. Eine Volksabstimmung gegen die Regierungsentscheidung ist inzwischen fast sicher.

Man sollte bedenken, daß die EU-Sanktionen von denselben Parteien übernommen wurden, die das CO2-Gesetz verabschiedet hatten, das später in einem Referendum nach einer von der SVP organisierten Petition abgelehnt wurde (vgl. SAS 25, 27/2021).

Ein Schlüsselfaktor dabei, sich dem westlichen Finanzkrieg gegen Rußland anzuschließen, könnte der von der Financial Times angeheizte Skandal gegen die Credit Suisse sein, die zweitgrößte Schweizer Bank und eine der 30 „systemrelevanten“ globalen Banken. Dem Sprachrohr der City war ein internes Dokument der Credit Suisse zugespielt worden, in dem Anlegern geraten wurde, Unterlagen zu bestimmten Investitionen in Vermögen russischer Oligarchen zu vernichten.

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