Die Hysterie um eine „bevorstehende russische Invasion“ in der Ukraine

Die Hysterie um eine „bevorstehende russische Invasion“ in der Ukraine

Die Spannung steigt und steigt wie in einem schlechten Hollywood-Actionfilm. Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, und Außenminister Tony Blinken warnten letzte Woche, Rußland könne „jeden Tag“, noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele am 20.2., eine Invasion der Ukraine beginnen, der britische Premier Boris Johnson übertraf das noch und sprach von „jeder Minute“. Am 12.2. ergriff das Weiße Haus die außergewöhnliche Maßnahme, Teile des diplomatischen Personals anzuweisen, Kiew zu verlassen, ähnliche Beschlüsse anderer westlicher Länder folgten. Die Taktik scheint darin zu bestehen, daß der Westen, wenn keine Invasion kommt, den Ruhm beanspruchen möchte, Moskau durch Warnungen vor schrecklichen Folgen „abgeschreckt“ zu haben.

Aber es könnte auch anders ausgehen. Neben den gemeinsamen russischen Militärübungen, die derzeit in Weißrußland stattfinden, und den 100.000 russischen Soldaten, die sich nicht weit von der ukrainischen Grenze entfernt befinden, hat die Ukraine – was nirgends berichtet wird – ebenfalls 100.000 Soldaten an der Kontaktlinie zum Donbaß zusammengezogen, angeblich mit britischen und anderen ausländischen Ausbildern. Eine Operation unter falscher Flagge in der Region könnte ausreichen, um beide Seiten zum militärischen Eingreifen zu veranlassen.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat sich jedenfalls über die Kriegspropaganda lustig gemacht, wie wir berichteten (vgl. SAS 5,6/22). Am 12.2. sagte er gegenüber Reportern: „Es gibt so viele Informationen über einen umfassenden Krieg mit Rußland – sogar konkrete Daten wurden angekündigt. Wir verstehen, daß es Risiken gibt. Wenn Sie zusätzliche Informationen über einen 100% garantierten Einmarsch Rußlands in die Ukraine am 16. Februar haben, dann teilen Sie uns diese bitte mit.“

Unterdessen herrscht fieberhafte diplomatische Aktivität. Die Präsidenten Biden und Putin führten am 12.2. ein weiteres einstündiges Telefongespräch, gefolgt von einem Telefonat Putins mit dem französischen Präsidenten Macron (s.u.), Bundeskanzler Olaf Scholz reiste am 14.2., nur eine Woche nach seinem Besuch in Washington, nach Kiew und am 15.2. nach Moskau. In Kiew erklärte er, die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO stehe „im Moment nicht zur Debatte“. Nach seinem Treffen mit Putin sagte der Kanzler, das Gespräch war „intensiv und vertrauensvoll“, spricht von einer „guten Ausgangsposition. Sie sprachen offen über alle Fragen, dies sei „ein guter Ausgangspunkt angesichts der schwierigen Herausforderungen, vor denen wir stehen“.

Es herrscht weiter große Ungewißheit über die nächsten Schritte in der Konfrontation zwischen der NATO und Rußland, aber die Lösung liegt darin, sich auf eine höhere konzeptionelle Ebene zu begeben, die über alle geopolitischen Erwägungen hinausgeht, um eine neue internationale Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die die Sicherheitsinteressen aller Parteien berücksichtigt. Das müßte das Thema der Münchner Sicherheitskonferenz sein, die an diesem Wochenende eröffnet wird – wird es aber sicher nicht sein. Die gleichzeitig stattfindende Online-Konferenz des Schiller-Instituts dagegen widmet sich diesem Ziel (s.o.).

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