Konferenz des Schiller-Instituts (II): Die BRICS sind nicht antiwestlich

Viele Redner auf der Konferenz des Schiller-Instituts am 9.9. trugen Einschätzungen zur strategischen Lage nach dem BRICS-Gipfel in Johannesburg vor, es folgen einige Schlaglichter:

Eine Medizin zur Kriegsverhütung: Prof. Georgij Toloraja ist ein pensionierter russischer Spitzendiplomat und derzeitig Vizevorsitzender des Russischen Nationalkomitees für BRICS-Forschung. Er sagte einleitend, er befasse sich seit 13 Jahren mit den BRICS und habe erwartet, daß der Tag kommen würde, an dem die Gruppe „ein echter Akteur in der Weltpolitik“ wird, aber „ich war wirklich erstaunt, daß dieser Tag so schnell gekommen ist“. Der Gipfel in Johannesburg sei „ein historisches Ereignis“, weil „sich die Mitgliederzahl verdoppelt hat, was niemand, auch ich nicht, erwartet hat“. Aber mehr noch, weil „die BRICS zum ersten Mal erklärt haben, daß sie auf dem Weg und in der Lage sind, eine neue Weltordnung zu schaffen“.

Die offene Konfrontation seit dem Beginn der Militärischen Sonderoperation Rußlands in der Ukraine im Februar 2022 habe „zum raschen Aufstieg der BRICS beigetragen und ein neues Kapitel der Geschichte eingeläutet, als die westlichen Länder versuchten, die neuen Machtzentren unter Druck zu setzen, um die Entstehung einer neuen Weltordnung nicht zuzulassen“. Die große Mehrheit der Länder sei jedoch nicht damit einverstanden, daß der Westen „die Regeln vorgibt, denen alle anderen gehorchen müssen“.

Dies sei eine neue Situation, in der die globale Mehrheit ein neues Modell der internationalen Beziehungen unter gleichberechtigten Partnern wünsche. „Es handelt sich also um eine turbulente Situation“, erklärte Prof. Toloraja. Dies könne zu einem langen Krieg über mehrere Jahrzehnte führen – oder sogar zu einem Atomkrieg zwischen den Großmächten, was „das Ende der Welt“ bedeuten würde. Die einzige Lösung sei daher, „einen Weg zu finden, um zu verhandeln“.

Toloraja betonte: „Die BRICS sind nicht antiwestlich. Sie sind nicht gegen die USA als Land. Sie sind nicht gegen die westliche Zivilisation. Sie sind nicht gegen Europa. Die BRICS sind offen für Zusammenarbeit mit diesen Ländern, um sie einzubeziehen – BRICS ist eine integrative Struktur. Sie sind offen für Dialog und Zusammenarbeit, aber nicht im Sinne von ,Herr und Knecht‘, sondern auf Augenhöhe. Und darauf sollten wir alle hinarbeiten.“

Schwachstellen, die überwunden werden müssen. S.E. Donald Ramotar, ehemaliger Staatspräsident von Guyana und Mitarbeiter der Internationalen Friedens-Koalition, ist überzeugt, der BRICS-Gipfel „könnte der Anfang vom Ende des Neokolonialismus und der Beginn einer neuen Ära der wirtschaftlichen Befreiung sein“. Dies sei um so notwendiger, als die USA ihre Macht in der Weltwirtschaft und die Rolle des Dollars dazu mißbrauchen, „anderen Ländern ihre Positionen aufzuzwingen“. Länder, die sich widersetzen, würden mit Sanktionen belegt, so Kuba, Venezuela, Nikaragua, Irak und Afghanistan.

Das jüngste Beispiel sei die „Mutter aller Sanktionen“ gegen Rußland, mit der sich Präsident Biden brüstete. Das sei der Anstoß für die Verwendung nationaler Währungen im Handel gewesen, die von den BRICS-Staaten gefördert wird. Doch obwohl die BRICS enormes Potential bieten, „dürfen wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen“. Die USA und ihre NATO-Verbündeten würden mit Sicherheit versuchen, jede Schwachstelle der BRICS auszunutzen, um „diese Bewegung zu sabotieren und zu besiegen“.

Als Beispiele für solche Schwachstellen erwähnte Ramotar den Grenzstreit zwischen Indien und China, die Spannungen um das Südchinesische Meer, Armenien und in Lateinamerika Mexiko, Argentinien und Brasilien, wo man versuchen werde, Präsident Lula zu stürzen.

Die Zukunft Afrikas und die BRICS. Prof. David Monyae, Direktor des Zentrums für Afrika-China-Studien (CACS) an der Universität von Johannesburg in Südafrika, sprach über „Die Zukunft Afrikas, Chinas und der BRICS“. Nach einem Überblick über die Vorgeschichte der BRICS-Gruppe seit der Bandung-Konferenz 1955 befaßte sich Monyae insbesondere mit den Auswirkungen der wachsenden wirtschaftlichen Stärke der BRICS auf Afrika und der Reaktion der Industrieländer darauf. „In einer Zeit, in der der Westen das Gefühl hat, Raum zu verlieren, an Legitimität zu verlieren, an Einfluß zu verlieren, den er vor allem in Afrika hatte“, und in der China Infrastruktur aufbaut, habe der Westen eine Anti-China-Offensive gestartet. Dazu gehöre, daß die Industrieländer auf „Abkopplung“ von der chinesischen Wirtschaft und „De-Risking“ setzen.

In den letzten Wochen und Monaten „haben wir in Westafrika endlose Putsche erlebt: Burkina Faso, Zentralafrikanische Republik, Sudan, Gabun, Mali, dazu terroristische Probleme. Frieden und Sicherheit werden immer wichtiger. Der Ressourcennationalismus ist also auf dem Vormarsch, und diese Länder in Afrika argumentieren, daß sie mehr Unterstützung und Zusammenarbeit bei der Infrastrukturentwicklung benötigen. Aber noch wichtiger ist, daß sie nicht nur Rohstoffe verkaufen wollen, sondern auch verarbeitete Rohstoffe“, u.a. wichtige Mineralien für die industrielle Revolution wie Lithium oder Uran. „Afrika wird also ein wichtiger Akteur werden, und der Wettbewerb zwischen den Industrieländern, vor allem mit China und Rußland, wird zunehmen.“

Der Ukraine-Krieg könne zu „einer Frühphase eines neuen Kalten Krieges“ führen, der die Situation verschlimmert, „wenn die Vereinigten Staaten Afrika weiterhin durch die Linse der Sicherheit statt der Entwicklung betrachten“.

Deshalb wollten die Afrikaner mehr Entwicklung. „Entwicklung und Sicherheit lassen sich nicht voneinander trennen, daher sind Präsident Xi Jinpings Ansichten über die Globale Sicherheitsinitiative, die Globale Entwicklungsinitiative und die Globale Zivilisationsinitiative wichtige Konzepte, die mehr afrikanische Länder und Entwicklungsländer ansprechen…“

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