Deutsche Bank muß gerettet werden – aber nicht ohne Bedingungen!

Helga Zepp-LaRouche veröffentlichte am 12.7. 2016 die folgende Erklärung:

Die unmittelbar drohende Insolvenz der Deutschen Bank ist zwar keineswegs der einzige potentielle Auslöser für eine erneute Systemkrise des transatlantischen Bankensystems, die um einige Größenordnungen tödlicher ist als die von 2008, aber sie bietet einen einzigartigen Hebel, um einen Absturz ins Chaos zu verhindern.

Hinter dem Hilferuf des Chefvolkswirts der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, nach einem 150 Milliarden Euro schweren EU-Programm zu Rekapitalisierung der Banken steht die in den internationalen Finanzmedien offen diskutierte Gefahr, daß das gesamte europäische Bankensystem faktisch insolvent ist und auf einem Berg von mindestens zwei Billionen an notleidenden Verbindlichkeiten sitzt. Die Deutsche Bank ist zudem die Bank weltweit, die mit insgesamt 55 Billionen Euro an ausstehenden Derivatkontrakten und einem Leverage-Faktor von 40:1 selbst denjenigen von Lehman Brothers zum Zeitpunkt des Kollapses dieser Bank noch übertrifft, und deshalb die gefährlichste Achillesferse des Systems darstellt. Die Hälfte der Bilanz der Deutschen Bank, deren Aktien in den letzten 12 Monaten 48% an Wert verloren haben und nur noch 8% ihres Höchstwertes zählen, betrifft sogenannte Level-3-Derivate, d.h. Derivate in einem Volumen von ca. 800 Milliarden Euro ohne Marktpreis.

Für viele sicher überraschend forderte Lyndon LaRouche am 12. Juli, daß die Deutsche Bank auf Grund der systemischen Implikation ihrer drohenden Insolvenz mit einer einmaligen Erhöhung ihrer Kapitalbasis gerettet werden muß. Weder die deutsche Regierung mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 4 Billionen Euro, noch die EU mit ihrem BIP von 18 Billionen Euro wären in der Lage, den Domino-Effekt einer ungeordneten Insolvenz unter Kontrolle zu bringen.

Die einmalige Kapitalspritze sei aber nur eine Notmaßnahme, der eine sofortige Neuorientierung der Bank folgen müsse, die sich an der Tradition der Deutschen Bank orientiert, wie sie bis 1989 unter Alfred Herrhausen maßgeblich war. Für die aktuelle Geschäftsführung müsse ein Verwaltungsausschuß eingesetzt werden, der die Legitimität und Konsequenzen der Verbindlichkeiten überprüft und innerhalb eines begrenzten Zeitraums zum Abschluß bringt. Dieser Ausschuß muß gleichzeitig einen neuen Geschäftsplan aufstellen, der die Bankphilosophie Herrhausens zur Grundlage hat und ausschließlich vom Interesse der deutschen Realwirtschaft geleitet wird.

Herrhausens Tradition wiederbeleben

Alfred Herrhausen war der letzte wirklich kreative und moralische Industriebanker Deutschlands. Er setzte sich u.a. für den Erlaß ohnehin nicht bezahlbarer Schulden der Entwicklungsländer ein, ebenso wie für die langfristige Kreditfinanzierung von wohldefinierten Entwicklungsprojekten. Im Dezember 1989 wollte er in New York einen Plan für die Industrialisierung Polens vorstellen, der sich an den Kriterien der KfW beim Wiederaufbau Deutschlands nach 1945 orientiert und damit eine ganz andere Perspektive als die sogenannte „Reformpolitik“ der Schocktherapie Jeffrey Sachs’ gewiesen hätte.

Herrhausen wurde am 30. November 1989 von der „Dritten Generation der RAF“ ermordet, deren Existenz bis heute nicht nachgewiesen ist. Dies geschah zwei Tage, nachdem Bundeskanzler Kohl, dessen engster Berater Herrhausen war, sein Zehn-Punkte-Programm zur schrittweisen Überwindung der deutschen Teilung vorgelegt hatte. Das cui bono des Attentats ist bis heute eine der schicksalhaftesten Fragen der jüngeren Geschichte Deutschlands, die dringend der Aufklärung bedarf.

Tatsache ist, daß die Nachfolger Herrhausens einen fundamentalen Paradigmenwandel bei der Philosophie der Bank eingeleitet haben, der die Deutsche Bank nicht nur in die abenteuerliche Welt der Profitmaximierung um jeden Preis, sondern zu zahllosen geahndeten und ungeahndeten rechtlichen Verstrickungen geführt hat, denen sich die Verantwortlichen – vor allem wegen der Prämisse „too big to jail“ – bisher entziehen konnten. Die Kehrtwende der Deutschen Bank zur globalen Investmentbank mit der höchsten Derivat-Exposure angesichts gleichzeitiger Kreditklemme beim deutschen Mittelstand ist symptomatisch für einen Irrweg, der an den Rand der jetzigen Katastrophe geführt hat.

Es muß jetzt entschlossen gehandelt werden – und zwar nicht, wie Folkerts-Landau vorschlägt, mit mehr von der selben Medizin, die den Patienten endgültig umbringen würde. Die Deutsche Bank, auch wenn sie in den vergangenen Jahren primär in London und New York operiert hat, ist zu wichtig für die deutsche Wirtschaft, und damit für Deutschland und letztlich das Schicksal ganz Europas. Die Reorganisation im Geiste Herrhausens ist der Schlüssel für die Überwindung nicht nur der Bankenkrise, sondern auch der Abwehr der akuten Kriegsgefahr.

Der Mord an Herrhausen ist ungesühnt. Aber es gibt sie, „diese furchtbare Macht, die richtend im Verborgnen wacht“, von der Friedrich Schillers Gedicht Die Kraniche des Ibykus handelt. Die Erinnyen haben ihre schauerliche Runde schon begonnen.

Es liegt jetzt an denjenigen, die neben der Familie die Leidtragenden des Mordes an Herrhausen waren – an den Vertretern des deutschen Mittelstandes, der deutschen Wirtschaft und institutionellen Repräsentanten der deutschen Bevölkerung –, sein Vermächtnis zu ehren und die enorme Chance zu ergreifen, die sich jetzt für die Rettung Deutschlands bietet.

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