Das Spiel nennt sich Geopolitik

Große Medien wie Washington Post, New York Times und Guardian stellen es – ganz auf einer Linie mit den Kriegsfalken in beiden US-Parteien – so dar, als rühre Joe Bidens scheinbares Desinteresse am Nahen Osten daher, daß er mit innenpolitischen Themen beschäftigt sei und sich nach Asien orientiere.

Aber das ist ein Ablenkungsmanöver weg vom „größeren Bild“, nämlich daß die Instabilität in ganz Südwestasien, einschließlich der israelisch-palästinensischen Frage, eine Folge des vorherrschenden britischen geopolitischen Denkens in der US-Politik in der Region ist. Die „endlosen Kriege“ seit dem Angriff auf die USA vom 11.9.2001 sind eine Fortsetzung der geopolitischen Doktrinen, die die Region seit der britischen Intervention im späten 19. Jahrhundert prägen. Der Sturz der nationalistischen Regime im Irak und in Libyen, der andauernde Vorstoß für Regimewechsel in Syrien und im Iran durch mörderische Sanktionen und die Unterstützung des saudischen Völkermordes im Jemen – alles mit voller Rükkendeckung von Biden und seinem außenpolitischen Team (außer einer minimalen Verringerung militärischer Hilfen für die Saudis in Bezug auf den Jemen) – entsprechen alle ganz Londons Ziel, souveräne Regierungen in der Region zu verhindern.

Die größte Bedrohung ist in den Augen dieser angloamerikanischen Kräfte die Vorstellung, daß Rußland und China nationalistische Regierungen in der Region unterstützen, die die mit der militärischen Macht der USA, Großbritanniens und der NATO durchgesetzte „regelbasierte Ordnung“ ablehnen. Rußland hat dies mit seiner Hilfe für Syrien bereits getan, und China könnte es mit der Ausweitung der Gürtel- und Straßen-Initiative in die Region als Grundlage für den Wiederaufbau tun. Joe Biden hat sich bisher dem „Status quo“ verschrieben, indem er nicht nur die Politik der Kriegsfalken gegen Syrien und den Jemen verteidigt und Israel und die Saudis unterstützt, sondern auch aggressiver auf Regimewechsel gegen Rußland wie auch gegen China hinarbeitet.

Bei Antony Blinkens Tour in dieser Woche scheint es also eher um die Optik zu gehen als um eine Abweichung von der unilateralen Politik aus Washington und London. Ohne eine Abkehr von der Geopolitik und ohne Beteiligung an ernsthaften Projekten für reale wirtschaftliche Entwicklung wird der Waffenstillstand wahrscheinlich nicht von langer Dauer sein, und die Lunte für die nächste Explosion wartet nur.

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