Cheminade fordert Sozialen Ausnahmezustand in Frankreich

Am 27.6. wurde in Nanterre, einem Arbeitervorort von Paris, der 17-jährige Jugendliche Nahel während einer Fahrzeugkontrolle von einem Polizisten erschossen. Der Vorfall löste in Frankreichs Armenvierteln eine Explosion der Gewalt aus. Fünf Nächte in Folge kam es zu Unruhen, 5000 Autos wurden niedergebrannt, 1000 Gebäude beschädigt, 250 Polizeistationen angegriffen, Geschäfte und Supermärkte geplündert usw.

Nach Angaben der Polizei hatte der junge Franko-Algerier gedroht, unerlaubt weiterzufahren. Doch ein Video eines Passanten, das zwei weitere Autoinsassen bestätigten, zeigt, daß der Wagen angehalten hatte, die beiden Polizisten am Fahrerfenster standen. Berichten zufolge sagte der Schütze: „Ich jage dir eine Kugel in den Kopf“, kurz bevor das Auto wieder anfuhr. Eine Untersuchung muß nun den Sachverhalt klären, der Polizist wurde inhaftiert.

Das Problem geht jedoch viel tiefer. Der Gewaltausbruch ist darauf zurückzuführen, daß die Französische Republik nichts gegen die Zustände tut, wegen denen seit Jahren soziale Unruhen schwelen, wie die Gelbwesten-Bewegung oder die jüngsten beispiellosen Proteste gegen die Rentenreform. In den Vororten der Unterschicht, wo viele junge Menschen mit afrikanischen und maghrebinischen Einwanderereltern leben, gibt es keine Möglichkeiten, sich zu entwickeln und ein besseres Leben zu finden. Massenkriminalität, insbesondere Drogenhandel, ist weit verbreitet.

Der Präsident von Solidarité & Progrès, Jacques Cheminade, ging in einer Erklärung am 1.7. darauf ein:

„Die Explosion der Gewalt, die in unserem Land ausgebrochen ist, überrascht nicht. Der Skandal ist, daß seit so vielen Jahren nichts unternommen wurde, um dem bereits lange vor sich hin schwelenden Feuer entgegenzutreten. Die Randalierer haben nicht nur Geschäfte geplündert, sondern auch Apotheken und öffentliche Gebäude niedergebrannt: Rathäuser, Gerichte, Kulturzentren, Bibliotheken, Polizeistationen, Schulen. Damit wurden die Grundfesten unserer Gesellschaft ins Visier genommen. Unter diesen Umständen besteht die Herausforderung nicht nur darin, das Recht auf öffentliche Sicherheit wiederherzustellen, sondern eine Gesellschaft neu zu begründen, die allen Menschen eine Hoffnung bietet, ohne Heuchelei oder Engstirnigkeit. Denn wenn es weiter so aussieht, daß es uns nur um die unmittelbare Gewalt geht und wir darüber sprechen, aber nicht ihre Wurzeln beseitigen, werden die Institutionen der Republik zusammenbrechen.“

Die republikanische Gesellschaftsordnung müsse „für alle gleichermaßen angewendet werden, für Wohlhabende oder Arme, ohne soziale oder räumliche Segregation“. Dazu „brauchen wir die Erklärung eines Sozialen Notstands, bei dem klar benannt wird, gegen wen wir uns richten: gegen eine Finanzmafia von oben, die Gesetze gegen bestehendes Recht erläßt und sich zunehmend mit der weiter unten operierenden Mafia verbündet – nicht nur beim Drogenkonsum. Wenn es am nötigen politischem Willen fehlt, wird dieses mafiöse Geschwür eines neuen kriminellen Kapitalismus alles zerstören und zum Krieg aller gegen alle führen.“

Cheminade schließt: „Angesichts der Ausschreitungen, die sich wie Gerüchte durch soziale Netzwerke verbreiteten, kann die Lösung nur darin bestehen, eine Politik für das Gemeinwohl zu organisieren. Polizei und Armee müssen diesem Zweck dienen. Dazu gehört auch eine Untersuchung der Natur dieser Provokateure und der Mittel, mit denen sie das schwelende Feuer anfachen.“

Print Friendly, PDF & Email