Chatham House: Keine Verhandlungen, solange Rußland nicht besiegt ist

Während einige NATO-Regierungen andeuten, daß es bald an der Zeit für Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine sein könnte, bekräftigte eine führende britische Geheimdienstinstitution, daß das nicht in Frage kommt, solange Rußland nicht besiegt und gedemütigt ist. An einer Diskussionsrunde in Chatham House am 6.12. nahmen zwei langjährige Russenhasser teil, die behaupteten, Rußlands „imperiale Absichten“ machten eine Einigung unmöglich. Die Veranstaltung mit dem Titel „Rußlands Krieg gegen alle“ vermittelte den Eindruck, der russische Nationalcharakter sei barbarisch, und deshalb könne man nicht in gutem Glauben verhandeln. (Nebenbei gesagt: Das jüngste Geständnis von Angela Merkel zeigt, wie sehr man dem Westen „trauen“ kann, s.u.)

Edward Lucas behauptete, das Problem „ist die Art und Weise, wie Rußland denkt… Wir spielen russische Spiele nach russischen Regeln.“ Rußland setze umfangreiche hybride Kriegsführung ein, versuche die USA und die NATO zu spalten und verbreite Desinformation. Lucas war Redakteur des Londoner Economist und ist heute Kolumnist der Times.

Er machte „westliche Selbstgefälligkeit“ für den Krieg verantwortlich; man habe nicht auf die Warnungen Litauens und Polens in den 90er Jahren gehört. Auf die Frage eines Zuhörers, ob man nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion irgend etwas hätte anders machen können, antwortete er angriffslustig: „Mir gefällt nicht, wie diese Frage formuliert ist“, denn es sei ein „Narrativ des Selbstmitleids“ der Russen, daß „der Westen Rußland nach dem Fall der Sowjetunion nicht geholfen hat“.

Diesem durchgängigen Thema des Abends folgte auch Keir Giles, Chatham House Fellow und Buchautor mit Geheimdienstverbindungen. Moskau glaube, „daß es ein Recht auf ein Empire hat“, und befinde sich schon länger im Krieg mit dem Westen, auch in der Jelzin-Ära. Er wie auch Lucas sagten, die Konfrontation sei „älter als Putin“, und Giles meinte sogar, es gebe sie seit Katharina der Großen.

Beide sind überzeugt, daß nur eine Neuauflage der Geopolitik des Britischen Empire die Welt vor der russischen „Barbarei“ schützen kann. In seinen Schlußbemerkungen sagte Lucas, Putin mache sich eine westliche Schwäche zunutze: Während des Kalten Krieges „waren unsere Diplomatie und Geheimdienste wirklich gut. Wir haben sie kaputtgemacht, weil wir nicht glauben, daß Geopolitik weitergeht.“

In seinem Buch Moscow Rules („Moskau herrscht“) kritisiert Giles die „naive“ westliche Politik nach 1990 und schreibt, „das Hoffen auf ein anderes Rußland“ sei kein brauchbarer politischer Ansatz. Es sei ein Irrtum anzunehmen, daß Rußland ein „westliches Land ist… Die Ideale, Werte, Vorurteile, Hoffnungen, Ängste und Motivationen, die viele Russen teilen,… sind für den Westen anders oder fremd.“

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