WTO entlarvt: Freihandel hat für sie Vorrang vor der Hungerbekämpfung

Ein großer Konflikt ist nun offen ausgebrochen: Die Länder, die sich für Maßnahmen zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion einsetzen, um Hungersnöte zu verhindern, treffen auf den Widerstand der finanziellen und politischen Interessen im transatlantischen Raum, die ohne Rücksicht auf die Folgen die neoliberalen Handelsregeln des „freien Marktes“ verteidigen. Die breite Front derjenigen, die sich für eine Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung einsetzen, reicht von China und Indien über Argentinien bis hin zu afrikanischen Ländern, und umfaßt auch praktisch alle unabhängigen Landwirte in Europa und den USA, die seit Jahren für das Recht protestieren, mehr und bessere Agrarprodukte zu erzeugen.

Auf der anderen Seite stehen die US-Regierung, die Europäische Kommission, die G7 sowie die Finanznetzwerke von IWF, Weltbank und Welthandelsorganisation (WTO), die sich oft hinter der Sorge um die „Rettung des Planeten“ und Verteidigung der „Menschenrechte“ verstecken (und dabei die Tatsache ignorieren, daß der Zugang zu guten Lebensmitteln das grundlegendste Menschenrecht ist).

Das Problem wurde letzte Woche auf der IWF/Weltbank-Tagung in Washington offen zugegeben. Sie fiel mit einem neuen Bericht der Vereinten Nationen zusammen, in dem gewarnt wird, durch den Konflikt in der Ukraine könnten „bis zu 1,7 Milliarden Menschen weltweit, d.h. mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung, in Armut, Elend und Hunger gestürzt werden“. (Tatsächlich hat zwar diese Krise die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Düngemitteln und Energie verschlechtert, aber die Hungerkrise war, wie wir berichteten, schon lange vorher in vollem Gange.)

Am Rande der Washingtoner Treffen gaben zwei hochrangige indische Vertreter, Finanzministerin Nirmala Sitharaman und Indiens Botschafters in den USA Taranjit Singh Sandhu, am 22.4. dazu eine gemeinsame Pressekonferenz. Erstere berichtete, sie habe bei verschiedenen IWF/Weltbank-Treffen erklärt, daß „Länder wie Indien, die über ein Potential für den Export von landwirtschaftlicher Produktion, insbesondere von Getreide, verfügen, Schwierigkeiten mit der WTO haben“. Ihre Formulierung war höflich, aber die Botschaft war ernst: Indien erwartet von der Handelsorganisation, daß sie ihre Blockade jetzt beendet.

Zu den „Schwierigkeiten“, auf die sich Nirmala Sitharaman bezieht, gehören die WTO-Regeln, die Regierungen ganz oder teilweise verbieten, ihre Landwirte zu unterstützen, Nahrungsmittelreserven zu lagern, zu exportieren – und sogar zu versuchen, sich mit Nahrungsmitteln selbst zu versorgen. Seit die WTO 1995 ihre Arbeit aufnahm, lautet die Begründung, Ernährungssicherheit ließe sich nicht durch nationale landwirtschaftliche Produktivität erreichen, sondern nur durch „Zugang zu den Weltmärkten“. So dürfe z.B. ein Staat seine Landwirte nicht subventionieren, weil das „den Handel verzerrt“ und Landwirte in anderen Ländern schädigt. In den letzten Jahren haben Indien, China und andere Länder mehrere große Rechtsstreitigkeiten gegen Washington um diese gegen sie angewandten Regeln verloren.

Jetzt geht es buchstäblich weltweit um Leben und Tod für mehr als eine Milliarde Menschen, indem man die tödlichen WTO-Regeln kippt und die Nahrungsmittelproduktion und -verfügbarkeit erhöht.

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