Wladimir Putin erteilt eine Lektion in Staatskunst

In einer Zeit, in der viele Präsidenten und Regierungschefs es tunlichst vermeiden, sich Fragen in der Öffentlichkeit zu stellen, hielt der russische Präsident Putin am 14.12. eine fast vierstündige Pressekonferenz ab, die auf allen landesweiten Fernsehkanälen live übertragen wurde. Die Fragen kamen sowohl von Reportern als auch von gewöhnlichen Bürgern; die Themen reichten von der Militäroperation in der Ukraine über Probleme bei Veteranenleistungen bis hin zu den Eierpreisen. Westliche Medien taten die Veranstaltung als „choreographiert“ und „kontrolliert“ ab, doch tatsächlich sprach Putin mit einem Selbstvertrauen zu seinem Volk, wie man es heute in keiner europäischen Hauptstadt findet.

Das vielleicht wichtigste Thema waren die Beziehungen zu den USA und Europa in einer Zeit, in der die NATO mit voller Unterstützung der EU einen Stellvertreterkrieg gegen Rußland in der Ukraine führt. Da die Medien über diese Äußerungen kaum berichtet haben, zitieren wir sie hier.

Putin kritisierte scharf die Behauptung der westlichen Regierungen, sie würden eine „regelbasierte Ordnung“ verteidigen: „In Wirklichkeit gibt es keine solchen Regeln. Sie ändern sich jeden Tag, je nach der aktuellen politischen Lage und den unmittelbaren Interessen desjenigen, der davon spricht.“

Gleichzeitig gebe es jedoch „eine ziemlich große Anzahl von Kräften auf der Welt, mächtige Länder, die nicht nach diesen ungeschriebenen Regeln leben wollen, sondern nach den Regeln, die in grundlegenden Dokumenten, wie der Charta der Vereinten Nationen, vorgeschrieben sind, und die sich von ihren eigenen Interessen und den Interessen ihrer Partner leiten lassen. Sie zwingen niemandem etwas auf, schaffen keine militärischen Blöcke, sondern schaffen Bedingungen für eine gemeinsame erfolgreiche Entwicklung.“ Dies werde der Schwerpunkt von Rußlands Arbeit als Vorsitzender der BRICS-Gruppe im nächsten Jahr sein.

Putin sagte weiter, viele europäische Staats- und Regierungschefs hielten sich selbst für einen neuen Charles de Gaulle, aber in Wirklichkeit ähnelten sie dem Nazi-Kollaborateur Marschall Pétain. „Er akzeptierte den Willen der Besatzungsmächte. Fast alle verhalten sich so, bis auf einige wenige. Robert Fico wurde nach der Wahl neuer Regierungschef [in der Slowakei], und Viktor Orbán in Ungarn. Sie sind, ich habe es schon oft gesagt, keine pro-russischen, sondern pro-nationale Politiker – sie verteidigen die Interessen ihrer Länder. Aber es gibt zu wenige Politiker dieser Art; warum, weiß ich nicht. Vielleicht hat das mit der übermäßigen Abhängigkeit Europas vom Großen Bruder zu tun – den Vereinigten Staaten. Aber wir sind bereit, Beziehungen zu ihnen aufzubauen.“

Er fuhr fort: „Tatsächlich sind wir bereit, auch mit den Vereinigten Staaten Beziehungen aufzubauen. Wir halten Amerika für ein wichtiges Land auf der Weltbühne. Aber diese völlig imperiale Politik, die das Land verfolgt, ist schlecht für sie, nicht einmal für uns. Und warum? Weil die Öffentlichkeit von ihnen erwartet, daß sie sich wie ein Imperium verhalten, und wenn sie in einer Sache einen Kompromiß eingehen oder einem anderen etwas zugestehen, sehen ihre Wähler darin Versagen oder Schwäche. Das mag zum Teil der Grund sein, warum die Eliten auf diese Weise handeln müssen.“

Die westlichen Regierungen täten gut daran, angesichts von Wirtschaftskrisen, teuren gescheiterten Militärabenteuern und zunehmender Polarisierung durch die neokonservativ-neoliberale Außen- und Wirtschaftspolitik auf Putins Worte zu achten.

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