Was kommt nach der Niederlage der Grünen in der Schweiz?

Die Parlamentswahl in der Schweiz am 22.10. brachte einen klaren Sieg für die Schweizerische Volkspartei (SVP) und eine Niederlage für die Grünen (GLP und GPS). Die SVP, die bereits stärkste Partei war, steigerte ihr Ergebnis um 3% auf 28,6% und gewann 9 Sitze im Nationalrat hinzu; die Grünen (GPS) verloren 3,8% und sanken auf 9,4%, und die Grünliberale Partei verlor 0,6% auf 7,2%. Beide zusammen büßten 11 Sitze ein. Die endgültigen Ergebnisse für den Ständerat sind noch nicht bekannt, da im November mehrere Stichwahlen anstehen.

Die Zusammensetzung der Bundesregierung wird sich allerdings nicht ändern, da die vier größten Parteien das siebenköpfige Kabinett bilden. Die SVP, obwohl größte Partei, stellt ebenso zwei Mitglieder wie die Sozialisten (SP) und die Liberalen; Die Mitte (Christdemokraten) stellt ein Mitglied. Die Regierung wird jedoch das politische Signal der Wähler zur Kenntnis nehmen müssen: eine klare Ablehnung der Klimapolitik und Zustimmung zu den SVP-Vorschlägen zu Migration und Neutralität.

Letzteres ist von strategischer Bedeutung. Die SVP führt eine Kampagne gegen die Entscheidung der Regierung vom vergangenen Jahr, die traditionelle Schweizer Neutralität aufzugeben und die EU-Sanktionen gegen Rußland mitzutragen. Tatsächlich war die Aufgabe der Neutralität nur die letzte Etappe eines schleichenden Prozesses der Aushöhlung der Souveränität, beginnend mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 und der wachsenden Globalisierung. Der Finanzsektor wurde immer mehr in das von City und Wall Street dominierte Finanzkasino eingebunden, und als 2008 die Finanzkrise ausbrach, wurde klar, daß Regierung und Parlament keine unabhängigen Maßnahmen im nationalen Interesse ergreifen konnten, sondern unter dem Diktat der „Systemrelevanz“ Anweisungen von außen folgen mußten.

Vor diesem Hintergrund war die Aufgabe der außenpolitischen Neutralität nur noch eine Formsache. Die Entscheidung, sich den EU-Sanktionen gegen Rußland anzuschließen, schlug jedoch bei Schweizer Patrioten wie eine Bombe ein. Indem sie faktisch eine Seite im Krieg unterstützte, gab die Schweiz den moralischen Status und das Prestige auf, das es ihr ermöglicht hat, ein Forum für Friedens- und andere Verhandlungen zu sein. Die SVP begann Anfang des Jahres, eine Volksabstimmung zu organisieren, um die Neutralität wiederherzustellen und in der Verfassung zu verankern. Die Wahl gibt dieser Forderung deutlichen politischen Auftrieb.

Die andere Frage, die in nächster Zeit ansteht, ist die, ob die Schweiz weiter US-Großbanken mit Steuergeldern stützen wird, wie 2008 zur Rettung der UBS und dieses Jahr der Credit Suisse (vgl. SAS 12-16/23). Die Kräfteverhältnisse in Parlament und Regierung haben sich in dieser Frage (noch) nicht geändert. Zwar hätte eine Kombination aus SVP, SP und Grünen im Nationalrat genügend Stimmen für eine Reform, die Geschäftsbanken von Investmentbanken trennt und letztere im Konkursfall scheitern läßt, doch im Ständerat wäre es schwierig, eine Mehrheit zu erreichen.

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