Wall Street und London blicken für längerfristige Projekte auf Kryptowährungen

Die Wirklichkeit ist oft surrealer als die Fiktion. Am 30.11. war der FTX-Chefbetrüger Sam Bankman-Fried einer der Hauptgäste auf dem jährlichen „Dealbook Summit“, einem großen „Finanzanalyse-Treffen“ der New York Times -, zusammen mit Wolodymyr Selenskyj, Mark Zuckerberg, US-Finanzministerin Janet und BlackRock-Chef Larry Fink. Die Kombination an sich ist schon seltsam, aber andererseits ist man es inzwischen gewohnt, daß Selenskyj so variabel eingesetzt wird wie Maggi in der Küche.

Obwohl Bankman-Frieds Teilnahme vor seinem Konkurs und den Betrugsermittlungen gegen ihn angekündigt worden war, hätte man von der New York Times soviel Anstand erwartet, ihn auszuladen. Statt dessen mußte er sich nur einem „bohrenden“ Interview mit Andrew Ross-Sorkin von der NYT stellen. Das ist in etwa so, als würde man nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia auf den Felsen von Elba ihren Kapitän Francesco Schettino zu einer Podiumsdiskussion über moderne Navigationstechnologien einladen…

Aber zurück zu den Kryptowährungen. Obwohl die wahre Identität ihres Erfinders, des Bitcoin-Entwicklers Satoshi Nakamoto, unbekannt ist, ist es kein Geheimnis, daß bereits ein Jahr zuvor in der Bank von England Diskussionen über eine digitale Währung mit Blockchain-Technologie begonnen hatten. Pilotprojekte zu einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) laufen derzeit bei der EZB, Bank of England, Federal Reserve und anderen Zentralbanken. Auf dem jährlichen Zentralbanktreffen in Jackson Hole 2019 hatte der damalige Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, eine „von den Zentralbanken verwaltete globale, synthetische Digitalwährung“ gefordert, um Inflation und Deflation (d.h. Austerität) unmittelbar steuern zu können.

In solch ominösen Plänen kann Bankman-Fried, Gründer und Chef der Kryptowährungsbörse FTX, noch als nützliches Instrument der Finanzoligarchie dienen. So gibt es im scheidenden US-Kongreß noch einen Gesetzentwurf zur Regulierung von Kryptowährungen, den Bankman-Fried entworfen und für den er geworben hat, u.a. indem er den Hauptsponsoren jeweils 23.000 Dollar spendete. Der Gesetzesentwurf wurde vom Chef der Wertpapieraufsicht SEC, Gary Gensler, und vom Financial Stability Oversight Council (FSOC) der fünf führenden US-Finanzaufsichtsbehörden empfohlen. Die Regulierung von Kryptowährungsgeschäften soll damit der Derivat-Aufsicht CFTC (Commodity Futures Trading Commission) statt Genslers SEC unterstehen. Der wichtigste Punkt ist jedoch, daß Kryptowährungen dann unter dem FSOC mit der Fed an der Spitze „reguliert“ würden. (Es sei daran erinnert, daß der Fed-Vorsitzende Jerome Powell im April im Washingtoner Wirtschaftsclub sagte, wenn es in den USA private Geldschöpfung geben soll, dann sollte die Fed beteiligt sein.)

Man sieht den großen Unterschied zum massiven Widerstand des Kongresses vor fünf Jahren gegen den Vorstoß von Facebook, die „private globale Währung“ Libra einzuführen. Und auf jeden Fall wird deutlich, daß ein Absturz bei Kryptowährungen, am extremsten fremdfinanzierten Ende der Finanzwelt, zu Ansteckungseffekten bei einem Giganten wie BlackRock, Inc. führen kann, der bereits Anzeichen von Schwierigkeiten zeigt.

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