Vergiftet die Geopolitik auch die deutsche Zusammenarbeit mit China?

Am Vorabend des China-Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz am 4.11. sind die Mainstream-Medien voller Angriffe auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Chinesen und behaupten, Deutschland dürfe nicht den „Fehler“ einer übermäßigen Abhängigkeit wie im Falle Rußlands wiederholen. 2021 entfielen auf China 9,5% des deutschen Außenhandels, davon mehr als 103,7 Mrd.€ auf Exporte und 142,3 Mrd.€ an importierte Waren (vor allem Chips und Elektronik).

Angesichts dieser Summen warnte Stefan Mair, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und wichtiger Berater der Bundesregierung, kürzlich in der Wirtschaftswoche, kein Markt könne in den nächsten Jahren China ersetzen, und für viele deutsche Unternehmen sei es der einzige dynamische, wachsende Absatzmarkt. In der Tat beabsichtigen große Industrieunternehmen wie Volkswagen, BMW, BASF und Carl Zeiss, erhebliche Anteile ihrer Weltproduktion in China zu halten und ihre Investitionen dort zu erhöhen. Bei VW, das inzwischen genauso viele Autos in China wie in Deutschland produziert, ist das umso bemerkenswerter, als ihm die deutsche Regierung im Mai die Exportkreditversicherungen (Hermes-Bürgschaften) strich, weil es in Urumqi in Xinjiang produziert, wo Peking Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. VW investiert nun ohne diese Bürgschaften.

Im Tandem mit der EU-Chinapolitik in Fragen wie Xinjiang, Tibet, Hongkong und Taiwan arbeitet das Berliner Außenministerium an neuen Export- und Investitionsrichtlinien, die China als „Systemkonkurrenten“ einstufen, weil es nicht dem westlichen „Wertesystem“ folgt. Die Zusammenarbeit soll deutlich reduziert werden.

Scholz verteidigt seinen China-Besuch mit der Begründung, Konflikte würden der deutschen Industrie schaden, und er wolle die Beziehungen verbessern. Er hat nicht gesagt, wie weit er dabei gehen wird, aber gegen erheblichen Widerstand der Koalitionspartner, Grüne und FDP, genehmigte er eine Beteiligung des chinesischen COSCO-Konzerns am Hamburger Hafen. Sein einziges Zugeständnis war, den Anteil von COSCO anstatt geplanten 35% auf 24,9% zu begrenzen, was das chinesische Mitspracherecht bei wichtigen Geschäftsentscheidungen einschränkt.

Die Hamburger Hafenbehörde (HHLA) hat sich von Anfang an für eine Partnerschaft mit der „Neuen Seidenstraße“ ausgesprochen, sowohl im Hinblick auf den Seeverkehr als auch auf die Bahnverbindungen vom Hafen nach Deutschland und ins übrige Europa. Man erwartet, daß die Investition von COSCO mit ihrem Schwerpunkt auf vollautomatischer Containerbe- und -entladung die Wettbewerbsfähigkeit Hamburgs erhöhen wird, besonders gegenüber Rotterdam. Zudem ist Hamburg die politische Heimat von Scholz.

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