Themen des Schiller-Instituts zu Afghanistan finden breite Resonanz

Der ehemalige Direktor des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (1997-2001), Pino Arlacchi, hat eine Medienoffensive gestartet, in der er die Öffentlichkeit auf wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Notwendigkeit schneller wirtschaftlicher Entwicklung, der Umsetzung von Drogenbekämpfungsprogrammen in Afghanistan und der Zusammenarbeit mit den Taliban dabei aufmerksam macht und die Wurzeln des internationalen Terrorismus aufdeckt. Nachdem Prof. Arlacchi diese Punkte in zwei Internetseminaren des Schiller-Instituts am 31.7. und 21.8. ausführlich erörtert hatte, berichten nun Medien von Spanien und Italien bis nach China und Rußland darüber. Gleichzeitig beginnen einige etablierte US-Medien, wie das Wall Street Journal und die New York Post, anzuerkennen, daß die Taliban nicht unbedingt für den Drogenanbau sind.

In einem Interview mit dem spanischsprachigen Sputnik Mundo am 27.8. forderte der ehemalige UNODC-Chef einen Entwicklungsplan als Priorität, nachdem er drei Tage zuvor in Il Fatto Quotidiano die italienische Regierung aufgefordert hatte, eine Initiative zur Drogenbekämpfung zu starten. In einem vielbeachteten Interview mit Corriere della Sera vom 26.8. befürwortete er eine Kreditvergabe an die Taliban und die Rückkehr der UN nach Afghanistan. Er erklärte: „Wenn ich Europa wäre, würde ich die Drogenproblematik in den Mittelpunkt der Tagesordnung stellen. Wir haben 1,5 Millionen Drogenabhängige, und es lohnt sich für uns, das afghanische Heroin zu stoppen. Wenn ich die UNO wäre, würde ich auf die internationale Bühne zurückkehren. Die UNO hat sie 2003 mit dem Irak-Fiasko verlassen. Afghanistan, das von den USA im Stich gelassen wurde, könnte ein großes Comeback für die UNO bedeuten.“

Arlacchi berichtete mit anschaulichen Anekdoten, wie es ihm gelang, die Taliban davon zu überzeugen, den Opiumanbau zu verbieten, der unter seinem UN-Mandat fast vollständig durch Alternativen ersetzt wurde. (https://www.corriere.it/esteri/21_agosto_26/afghanistan-arlacchi-talebani-osama-galline-vi-spiego-come-trattai-92610452-05e5-11ec-a855-aa98be4fea91.shtml).

In einem weiteren Artikel für Il Fatto vom 28.8. warf Arlacchi die Frage nach den wahren Hintermännern des Terroranschlags auf dem Kabuler Flughafen auf und belegte mit Zahlen, daß der Terrorismus durch die „endlosen Kriege“ nicht ab-, sondern zugenommen hat. In dem Interview mit Sputnik Mundo wies Arlacchi auf den entscheidenden Punkt hin: „Der einzige Ausweg ist jetzt ein ehrgeiziger Wiederaufbauplan, der auf der Erschließung der internen Ressourcen Afghanistans basiert.“ Das war das zentrale Thema der beiden Webinare des Schiller-Instituts.

Ein solches Programm müsse nicht teuer sein: „Es reicht, die internationale Hilfe auf dem derzeitigen Niveau zu halten und die Militärhilfe durch Entwicklungshilfe zu ersetzen. Wenn wir das nicht sofort tun, besteht die Gefahr, daß die Taliban … nicht lange an der Macht bleiben und das Land erneut in ein totales Chaos stürzt, mit katastrophalen Folgen.“

Ein Gastbeitrag in der französischen Tageszeitung Le Figaro vom 27.8. mit dem Titel „Wie der Westen Afghanistan wieder zum Land der Drogen werden ließ“ beschreibt auf erschütternde Weise, wie der Schlafmohnanbau in Afghanistan 1999-2001 unter der Taliban-Herrschaft drastisch zurückging, aber unter der Besatzung durch US-, britische und NATO-Truppen wieder zunahm. Der Autor ist Bernard Frahi, ehemaliger Direktor des UNODC-Regionalbüros für Afghanistan und Pakistan (1998-2002), als das UNODC von Pino Arlacchi geleitet wurde (s.o.). Er beschreibt präzise, wann und wo die britischen und US-Behörden nach der Invasion nach dem 11. September 2001 die Maßnahmen zur Beendigung der Opiumproduktion rückgängig machten.

So erhielten beispielsweise die Briten die Aufgabe, die neue Karzai-Regierung bei der Drogenbekämpfung zu unterstützen. Sie investierten „im März 2002 rund 60 Mio. Dollar in den Kauf von Opiumpflanzen“ und gaben den Milizenführern in den Provinzen Nangarahar, Oruzgan, Kandahar und Helmand hohe Geldbeträge zur Entschädigung der Bauern, die im März/April 2002 ihre Opiumfelder zerstörten. Das Ergebnis war jedoch katastrophal“, stellt Frahi fest, denn ein Jahr später wurden die Felder wieder mit Schlafmohn bestellt. Die Amerikaner „konzentrierten sich ausschließlich auf den Kampf gegen den Terrorismus“ und weigerten sich bis 2005, gegen den Opiumanbau und die berüchtigten Drogenhändler vorzugehen.

Heute liefert Afghanistan das Opium für über 80% des weltweit konsumierten Heroins, in Europa sogar über 95%. Für einige Afghanen ist es eine Einnahmequelle, die Vereinten Nationen schätzen diese Summe für das vergangene Jahr auf etwa 350 Mio.$. Doch das ist nur ein Bruchteil des Straßenwerts des in Europa verkauften Heroins, diesen schätzt die UNO auf etwa 10 Mrd. Euro! Ein erheblicher Prozentsatz dieses Geldes wird über das internationale Bankensystem „gewaschen“, das schon seit Jahrzehnten vom Drogenhandel abhängig ist.

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