NATO-Gipfel erklärt Einigkeit gegen Rußland und China, aber wird die halten?

Die Staats- und Regierungschefs, die vom 28.-30.6. am NATO-Gipfel in Madrid teilnahmen, haben ein neues Strategisches Konzept verabschiedet. Wie erwartet, wird darin die Russische Föderation als „die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Bündnispartner und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“ dargestellt, die sogar „die Souveränität und territoriale Integrität“ der NATO-Mitglieder angreifen könnte. So wurde auf dem Gipfeltreffen beschlossen, die militärische Präsenz an der Ostflanke des Bündnisses, d.h. an den Grenzen Rußlands, erheblich auszuweiten, obwohl das Bündnis versichert, keine Konfrontation zu suchen.

Das Strategische Konzept nimmt auch und zum ersten Mal China als „Herausforderung“ und systemischen Konkurrenten ins Visier, der „eine breite Palette politischer, wirtschaftlicher und militärischer Instrumente“ einsetze, um seine Macht und seinen Einfluß zu vergrößern. Das bedeutet implizit, daß die „Globale NATO“ beabsichtigt, sich auch auf diese Flanke auszudehnen, zumal das Dokument auf die „sich vertiefende strategische Partnerschaft zwischen der Volksrepublik China und der Russischen Föderation“ und deren „sich gegenseitig verstärkende Versuche, die auf Regeln basierende internationale Ordnung zu untergraben“, verweist.

In dem neuen Dokument und in der gemeinsamen Erklärung, die in Madrid veröffentlicht wurde, wird das Engagement der NATO für „Demokratie, individuelle Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“ betont. Wenn man jedoch weiß, wie oft die NATO unter der Führung des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten illegale Kriege und verdeckte Operationen in der ganzen Welt geführt und Allianzen mit notorischen Diktatoren und Menschenrechtsverletzern geschlossen hat, kann man solche Äußerungen kaum ernst nehmen.

In der gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs wird die „volle Solidarität“ der NATO mit Kiew betont. Hinter den Kulissen wird jedoch darüber debattiert, wie lange der Westen Präsident Selenskyj und seine Kontrolleure noch dazu drängen sollte, die Kämpfe im Donbaß fortzusetzen und Verhandlungen abzulehnen. Kompetente Militäranalysten sind sich einig, daß die ukrainischen Streitkräfte den Krieg bereits so gut wie verloren haben, was sie mit ihrem Rückzug aus der Region Luhansk teilweise zugegeben haben.

Der stellvertretende russische Außenminister Alexander Gruschko, der zuletzt russischer Botschafter bei der NATO war, reagierte in einer Rede vor dem Waldai-Diskussionsklub am 1.7. auf das Strategische Konzept und stellte fest, daß „Rußland selbst zu einer Bedrohung für das Bündnis erklärt wurde, was bedeutet, daß die bloße Existenz eines solchen Staates als Bedrohung angesehen wird“. In der Tat wird in westlichen Kreisen und Denkfabriken die Notwendigkeit, Rußland in kleine Teile aufzuspalten, zunehmend als das nächste Ziel dargestellt.

Auch chinesische Kreise haben auf das Dokument reagiert: Der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian, stellte fest, daß Chinas Entwicklung „eine Chance für die Welt und für niemanden eine Herausforderung darstellt… Die NATO sollte die Mentalität des Kalten Krieges, die Nullsummenspiel-Mentalität und die Praxis, sich Feinde zu machen, aufgeben und nicht mehr versuchen, Asien und die ganze Welt zu stören, nachdem sie Europa gestört hat“. Alles in allem ein sehr guter Ratschlag, dem unser Newsletter nur zustimmen kann.

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