Nach massiven SPD-Niederlagen: Berliner Regierungskoalition wackeliger denn je

Der Zusammenhalt der Drei-Parteien-Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz leidet durch zahlreiche schwerwiegende Reibereien – von Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik bis hin zu Differenzen über die Reaktion auf den Krieg in der Ukraine. Es herrscht der Eindruck vor, daß Scholz Deutschland zur Kriegspartei macht, indem er den koordinierten antirussischen Positionen der Grünen und der liberalen FDP nachgibt. Damit verprellt er starke Strömungen in seiner eigenen Partei, der SPD, deren Wählerschaft traditionell gute Beziehungen zu Rußland befürwortet.

Die wachsende Kluft zwischen diesen beiden Richtungen innerhalb der SPD zeigte sich an den massiven Verlusten bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am 8.5. (40% weniger als bei der letzten Wahl) und in Nordrhein-Westfalen (NRW) am 15.5. (fast 25% weniger). Der nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Thomas Kuschaty hatte selbst zu der Niederlage beigetragen, indem er den beliebten ehemaligen Düsseldorfer SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel zwang, eine Antikriegserklärung auf seiner Webseite zu löschen, worin dieser auch den ukrainischen Botschafter in Berlin, Andrej Melnyk – völlig zu Recht -, als Wortführer von Kriegspropaganda und Militarisierung der deutsch-ukrainischen Beziehungen kritisiert hatte. Für die SPD war das Ergebnis in NRW das schlechteste in der 75jährigen Wahlgeschichte des Bundeslandes.

Daß Kanzler Scholz letztendlich den kriegstreiberischen Mainstream-Medien nachgab, kommt der oppositionellen CDU zugute, noch mehr jedoch den Grünen, die ihr Ergebnis in NRW verdreifachen konnten und damit künftig noch mehr Einfluß in der Koalition haben dürften. Der große „Gewinner“ waren jedoch die Nichtwähler mit einem Rekordhoch von 44,5%. Die Beteiligung war in den traditionellen Arbeitervierteln (und SPD-Hochburgen) besonders niedrig, in den wohlhabenderen Bezirken, die eher grün wählen, dagegen hoch.

Der Aufschwung der Grünen ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine sehr schlechte Nachricht für Deutschland, da sie nicht nur den Green Deal der Banker uneingeschränkt mittragen, sondern auch am lautesten ständig mehr Sanktionen gegen Rußland fordern, was unmittelbar die Industrie gefährdet. Um seine Kampagne für ein Verbot russischer Ölimporte zu verkaufen, besuchte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck letzte Woche das brandenburgische Schwedt, den Standort des größten deutschen Raffineriekomplexes PCK, der auf die Verarbeitung von Schweröl aus Rußland spezialisiert ist. Von dort aus werden die meisten ostdeutschen Regionen mit Benzin und anderen petrochemischen Produkten versorgt, und PCK liefert auch ein Drittel des im Straßenbau benötigten Bitumens. Anders als Habeck und die Grünen behaupten, läßt sich das russische Öl nicht ersetzen, und PCK kann auch nicht einfach von Öl auf „grünen Wasserstoff“ umsteigen. Die notwendige Umrüstung würde etwa zehn Jahre dauern. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sich wegen der verheerenden Folgen für die ostdeutsche Wirtschaft offen gegen die Rußlandsanktionen ausgesprochen.

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