Massenstreikbewegung in Griechenland

Das Zugunglück vom 28.2. mit 57 Todesopfern hat in der griechischen Bevölkerung die aufgestaute Wut gegen die politische Klasse weiter angefacht (vgl. SAS 10/23). Das „Verbrechen von Tempi“ – benannt nach der Stadt, wo der Personenzug Athen-Thessaloniki frontal mit einem Güterzug zusammenstieß – ließ am 8.3. Hauptstraßen und Plätze im ganzen Land von Demonstranten überströmen. Zehntausende Gewerkschafter, Studenten, Rentner, soziale Aktivisten und die breite Öffentlichkeit forderten Gerechtigkeit von einer Regierung, die nach ihrer Überzeugung die volle Verantwortung für den Tod ihrer Mitbürger trägt.

Die Organisatoren der Demonstration in Athen sprechen von 100.000 Teilnehmern. In Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands, waren es 20.000, Zehntausende mehr marschierten in Patras, Larissa und Chania auf Kreta, auf den Inseln Rhodos und Korfu usw. mit Transparenten gegen die Regierung. Angeführt wird die Massenaktion von den Bahngewerkschaften, die seit dem Unfall streiken, der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes ADEDY und dem Gewerkschaftsverband GSEE.

Die Wut richtet sich nicht nur gegen die Unfähigkeit der derzeitigen Regierung, sondern gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik insgesamt und besonders gegen die Privatisierung des Verkehrswesens, Gesundheitswesens und anderer öffentlicher Dienste. In seiner Rede bei der Kundgebung in Athen am 8.3. erklärte der ADEDY-Regionalvorsitzende Christos Grivas: „Der Unfall in Tempi hat die Wahrheit über den bürokratischen Staat offenbart, der als Verwalter mächtiger finanzieller Interessen fungiert.“ Thanasis Oikonomou vom Vorstand der Gewerkschaft der Athener Verkehrsbetriebe (OASA) sagte, das Verbrechen von Tempi sei faktisch „Vorsatz“ gewesen, angesichts von systematischer „Unterbesetzung und Personalabbau, der Umsetzung der gesamten Palette arbeiterfeindlicher Gesetze“. Die Frauenverbandspräsidentin Christina Skaloumbaka erklärte, sie seien entschlossen, nicht zu schweigen und zu kämpfen, „um die Schuldigen zu entlarven“: die Wirtschaftsinteressen wie den italienischen Konzern, dem die Bahn gehört, und alle Regierungen, die diese Politik fördern – alle „Antreiber“ der „Liberalisierung des Verkehrs“.

Am 12.3. fand eine weitere Runde von Demonstrationen im ganzen Land statt, die Organisatoren wollen die Massenaktionen bis zum Rücktritt der Regierung fortsetzen. Die Gewerkschaftsverbände des öffentlichen und privaten Sektors stimmten für einen landesweiten Generalstreik am 16.3.

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Der Aufruf wird von Studentenorganisationen, Gewerkschaftszentralen, sogar dem Apothekerverband und anderen sozialen Organisationen unterstützt.

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Es wurde auch berichtet, daß die Eisenbahner der französischen Gewerkschaft SUD Rail bei der großen Gewerkschaftsdemonstration in Paris am 7.3. mit Transparenten ihre Unterstützung für Griechenland bekundeten.

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Die Regierung von Ministerpräsident Mitsotakis und seine Partei Neue Demokratie waren der Eckpfeiler der Kriegsfraktion im östlichen Mittelmeerraum. Da bereits im Mai Parlamentswahlen anstehen, befürchtet man in Brüssel und Washington, daß sie eine Koalition von Parteien an die Macht bringen könnten, die die Rußland- und China-feindliche Politik der NATO wie auch die neoliberale Wirtschaftspolitik der EU ablehnen.

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