Löst Großbritannien die Finanz-Kernschmelze von 2022 aus?

Das gesamte Finanzsystem stand kurz vor dem Zusammenbruch, als die Bank of England (BoE) am 28.9. mit einer außerordentlichen Finanzspritze von 65 Mrd. Pfund eingriff – 13 Tage lang 5 Mrd. täglich. Am 10.10. intervenierte sie erneut, erhöhte die täglichen Käufe auf 10 Mrd. und aktivierte spezielle kurz- und langfristige Repo-Fenster, um den Banken Liquidität im Tausch gegen Schrottpapiere bereitzustellen. Eine Rückkehr zur Quantitativen Lockerung (QE) im großen Stil…

Die 500-Billionen-Dollar-Pyramide der weltweiten Zinsderivate stand kurz vor dem Einsturz, ausgelöst durch den Ausfall von Investitionen in britische Rentenfonds-Derivate. Die Intervention der BoE entschärfte die Gefahr vorübergehend, aber der durch die steigenden Zentralbankzinsen ausgelöste Systemkollaps läuft bereits.

Unmittelbarer Auslöser der britischen Krise waren Ankündigungen der Regierung von Liz Truss in einem bereits taumelnden Finanzsystem (vgl. SAS 39/22). In einem Schreiben der BoE an das Unterhaus vom 5.10. werden die Entwicklungen mit den dramatischsten Worten beschrieben, zu denen Zentralbanker fähig sind.

Am 23.9. hatte die Regierung einen „Mini-Haushalt“ mit einer Kombination aus Steuersenkungen und Konjunkturprogrammen angekündigt, was einen Einbruch der Staatsanleihen (Gilts) auslöste, deren Renditen infolge der strafferen Geldpolitik bereits gestiegen waren. In den darauffolgenden Tagen „waren Geschwindigkeit und Ausmaß der Bewegungen bei den Gilts-Renditen beispiellos. In diesem Zeitraum stiegen die Renditen für 30-jährige Gilt-Anleihen an zwei Tagen um mehr als 35 Basispunkte.“

Der Anstieg der Renditen führte dazu, „daß der Nettoinventarwert der LDI-Fonds erheblich sank und ihre Verschuldung deutlich zunahm… Der Rückgang des Nettoinventarwerts spiegelte sich in Nachschußforderungen wider, denen die LDI-Fonds nachkommen mußten.“ LDI, kurz für Liability Driven Investments, sind Investitionen von Rentenfonds. Reuters beschreibt sie als eine „Geldschleuder für Vermögensverwalter“. Sie leihen sich Geld, um in Derivate zu investieren, und nutzen Staatsanleihen als Sicherheiten. Wenn die Staatsanleihen an Wert verlieren, müssen sie mehr Sicherheiten stellen (Nachschußforderungen). Normalerweise verkaufen Rentenfonds dazu Vermögenswerte, aber diesmal hätten laut BoE bei einigen LDI-Fonds „die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Renditeschwankungen und der daraus resultierende Rückgang des Nettoinventarwerts die Fähigkeit der Rentenfonds-Investoren, neues Kapital in der verfügbaren Zeit bereitzustellen, bei weitem übertroffen“. Dies löste Panik auf dem Markt aus und zwang die Zentralbank zum Eingreifen, um einen Zusammenbruch zu verhindern.

Die BoE betonte, ihre Operationen auf dem Gilt-Markt seien „zeitlich begrenzt und zielgerichtet“, kündigte aber nur wenige Tage später weitere Maßnahmen an.

Die britische Krise zeigt einmal mehr, warum die Abschaffung der Glass-Steagall-Bankentrennung zusammen mit der expansiven Geldpolitik der letzten Jahrzehnte die Ursache für die ungelöste globale Finanzkrise ist. Unter der Bankentrennung durften Rentenfonds nicht in hochriskante Papiere wie Derivate investieren. Aber das war in einem Umfeld, wo man mit festverzinslichen Vermögenswerten wie Staatsanleihen noch eine ordentliche Rendite erzielen konnte. In der letzten Zeit jedoch gab es wegen der Negativzinspolitik der Zentralbanken außer Aktien und Derivaten praktisch nichts, wo man Geld ohne Verlust anlegen konnte.

Jetzt hat die Politik der extremsten Kriegsregierung Europas, der von Premierministerin Liz Truss, eine „Instabilität“ in einer weltweiten Billionen-Dollar-Blase aus unbezahlbaren Schulden und Derivaten ausgelöst. Sie entzündet ein Streichholz unter dem Zunder, den die westlichen Zentralbanken seit dem letzten globalen Finanzcrash 2008 aufgehäuft haben.

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