Konflikt in Äthiopien droht sich zum Regionalkrieg auszuweiten

Nach acht Monaten Krieg im Bundesstaat Tigray hat der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed einen einseitigen Waffenstillstand verkündet, nachdem die Regierungstruppen aus Tigrays Hauptstadt Mekelle vertrieben worden waren. Abiy behauptete, es sei keine Niederlage, gab aber zu, daß seine Regierung angesichts der Unterstützung der Bevölkerung für die Tigray People‘s Liberation Front (TPLF) und die Tigray Defense Forces nicht gewinnen konnte. Der Präsident von Tigray, Debretsion Gebremichael, der vor 8 Monaten fliehen mußte, ist nach Mekelle zurückgekehrt.

Diese Wendung war das absehbare Ergebnis eines massiven Machtkampfes innerhalb der Regierung. 2018 hatte die regierende Koalition EPRDF (Ethiopian Peoples‘ Revolutionary Democratic Front) Abiy zum Ministerpräsidenten gewählt. Obwohl die TPLF als größte Partei in der Koalition ihn unterstützt hatte, wollte er deren Mitglieder aus führenden Regierungsämtern entfernen, als sie sich seinen „Reformen“, darunter die Privatisierung staatlicher Unternehmen, widersetzten. Mehrere wurden ins Gefängnis geworfen, andere wurden unter mysteriösen Umständen ermordet.

Man sollte betonen, daß Äthiopien unter den vorherigen, von der TPLF geprägten Regierungen eine erfolgreiche, infrastrukturorientierte Entwicklungspolitik betrieben hatte, u. a. mit der von China gebauten Eisenbahn Addis Abeba-Dschibuti und dem von China finanzierten Großen Äthiopischen Renaissance-Damm. Durch ihre Weigerung, den sog. „Washingtoner Konsens“ zu akzeptieren, machte sich die Regierung viele Feinde in Washington und London.

2018 unterzeichnete Abiy ein von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) vermitteltes Abkommen mit Eritrea, mit dem Äthiopien sich formal noch im Krieg befand. Dies schien zu einer Stabilisierung der Region zu führen, da Eritrea -das die illegale Opposition in Äthiopien und terroristische Separatisten in Somalia unterstützte und Stützpunkte für den Krieg der VAE gegen die Houti im Jemen unterhielt -in die Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) eingebunden wurde, in der Äthiopien ein Schlüsselelement war. Aber Eritrea schloß sich Abiy bei der Invasion in Tigray im November 2020 vollständig an.

Der gemeinsame Nenner bei den Absprachen ist der ehemalige britische Premierminister Tony Blair, der der wichtigste Berater der VAE ist. Er war auch Berater von nicht weniger als vier äthiopischen Ministerpräsidenten, darunter Abiy, und Blairs Institute for Global Change hat in Addis Abeba ein sehr aktives Büro. Ein weiterer wahrscheinlicher Akteur ist der ehemalige amerikanische Afrika-Außenstaatssekretär Her- man J. „Hank“ Cohen, dessen Lobbyfirma Cohen and Woods als Eritreas führender Lobbyist in Washington fungierte.

Die TPLF hat angekündigt, die Kämpfe nicht aufzugeben, bis alle äthiopischen und eritreischen Truppen abgezogen und alle Kommunikationswege wiederhergestellt sind. Daher bleibt die Lage sehr gefährlich und instabil, verschärft durch eine große humanitäre Krise.

Der Krieg hat auch zu einer Krise mit dem benachbarten Sudan geführt und den Dauerstreit mit Ägypten und dem Sudan über die Auffüllung des Renaissance-Damms verschärft. Jetzt ist echte Staatskunst gefragt, um die Konfliktparteien zusammenzubringen und die Einmischung von außen durch Eritrea und die VAE zu neutralisieren.

Print Friendly, PDF & Email