Kernschmelze des Systems steht unmittelbar bevor

Jetzt hat sich herausgestellt, daß der Auslöser für den Beinahe-Kollaps des Finanzsystems im September 2019, den nur die „Verstaatlichung“ des Repo-Marktes durch die Fed verhindern konnte, wahrscheinlich ein geplatztes Kredit-Derivatgeschäft des insolventen Reiseveranstalters Thomas Cook über 2,7 Mrd.$ war. Dieser beantragte am 16.9. in den USA Insolvenzschutz und löste eine allgemeine Panik aus, angeheizt dadurch, daß niemand genau wußte, wer beteiligt war und wer nicht. Die Zinssätze auf dem Repo-Markt sprangen hoch auf 10%, so daß die Fed am nächsten Tag intervenierte, um eine Kernschmelze zu verhindern.

Einige Wochen zuvor, am 22.-24. August, hatten die Zentralbanker auf ihrer Jahrestagung in Jackson Hole/Wyoming die Forderung des damaligen Chefs der Bank von England Mark Carney gehört, daß die Zentralbanken mit einem „Regimewechsel“ in der Geldpolitik direkt die Finanzpolitik der Staaten übernehmen. Natürlich kannten sie den Zustand des Systems, wie das prompte Eingreifen der Fed am 17.9. beweist.

„Thomas Cook mag zwar der Funke gewesen sein, der das Inferno auf dem Repo-Markt entfachte, aber es gab noch viele andere Probleme, die zu einem allgemeinen Mißtrauen zwischen den globalen Finanzhandelshäusern beitrugen“, schreiben Pam und Russ Martens in ihrem Blog. Dies betraf u.a. zwei der großen Kreditnehmer von Fed-Repo-Krediten, Nomura Securities International und Deutsche Bank Securities, deren Aktien vor dem 17.9. wegen Skandalen und aus anderen Gründen abgestürzt waren.

Der Beinahe-Kollaps vom 16.9. zwang die Fed, mit 1-15tägigen und längerfristigen Krediten zu intervenieren, die regelmäßig verlängert wurden und sich bis zum Auslaufen des Programms am 2.7.2020 insgesamt auf 11,23 Bio.$ beliefen. Der größte Nutznießer dieser Kredite in den ersten Wochen und Monaten war JP Morgan. JP Morgan verfügt über Derivate im Nominalwert von 52 Bio.$ und steht zusammen mit Goldman Sachs, Citigroup und Bank of America für 89,3% des Derivat-Nominalwerts des US-Bankensystems.

Dank der Übernahme des Repo-Marktes durch die Fed wurden diese Banken gerettet. Übrigens sind sie selbst Aktionäre der Fed – die Wall-Street-Banken haben also über die Fed Geld geschaffen, um sich selbst zu retten.

Unterdessen steigt die Gesamtverschuldung der transatlantischen Volkswirtschaften, während die Realwirtschaft in den Lockdowns schrumpfte und sich noch nicht erholt hat. Die US-Industrieproduktion sank im Dezember leicht (-0,1%) und liegt damit in etwa auf dem Niveau von Ende 2019, 3% unter dem von Mitte 2018. Die Industrieproduktion schrumpfte im Dezember um 0,3% und liegt etwa 5% unter dem Niveau von Mitte 2018 und Ende 2019. Investitionen und Beschäftigung im Baugewerbe sind niedriger als 2018, insbesondere im öffentlichen Bereich. Auch die Einzelhandelsumsätze sanken im Dezember als Reaktion auf die Inflation von Konsumgütern.

Darüber hinaus droht eine Insolvenzwelle als Folge der Hyperinflation der Energiepreise, besonders in Europa. Auf der virtuellen Jahrestagung der American Finance Association am 8.1. prognostizierte Isabel Schnabel vom EZB-Direktorium einen kontinuierlichen Anstieg der Energiepreise wegen der grünen Wende. Eine Neuauflage der Thomas-Cook-Derivatkatastrophe steht vor der Tür.

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