Josep Borell räumt ein: der Westen verliert den globalen Kampf um die Narrative

Die Hoffnungen der USA und Europas, die Entwicklungsländer hinter ihrer Politik gegen Rußland und China zu sammeln, haben sich beim Treffen der G20-Außenminister auf Bali in Indonesien am 7.-8.7. zerschlagen. Der Chef der EU-Außenpolitik, Josep Borrell, gab in einer Erklärung auf der EU-Webseite diese wachsende Kluft (die ihn offenbar überraschte) offen zu.

Zum Krieg in der Ukraine schreibt er: „Die G7 und gleichgesinnte Länder sind sich einig darin, Rußland zu verurteilen und zu sanktionieren und zu versuchen, das Regime zur Verantwortung zu ziehen. Aber andere Länder, und wir können hier von der Mehrheit des ,Globalen Südens‘ sprechen, nehmen oft eine andere Perspektive ein… Der globale Kampf der Narrative ist in vollem Gange, und im Moment sind wir nicht am Gewinnen.“ (Implizit wirft er den „anderen Ländern“ vor, prinzipienlos und korrupt zu sein, was die Auseinandersetzung nur verschärfen kann.)

Rußlands Außenminister Sergej Lawrow seinerseits warf den G7-Vertretern vor, den Zweck der G20, nämlich die Behandlung globaler Wirtschaftsfragen, zu untergraben, indem sie die gesamte Diskussion auf Rußland konzentrierten. Nach mehreren bilateralen Treffen verließ er den Gipfel vorzeitig mit der Begründung: „Vielleicht gibt es nichts, worüber man mit dem Westen reden könnte.“ Tatsächlich sind die Hauptsitzungen der G20 meist weniger produktiv und aussagekräftig als die Gespräche im engeren Kreis.

So nutzte Chinas Außenminister Wang Yi die Gelegenheit, um sich mit mindestens zehn Amtskollegen zu treffen, darunter Indiens Außenminister S. Jaishankar, der im nächsten Jahr Gastgeber der Veranstaltung ist, sowie Lawrow. Er betonte, man dürfe die Ukraine-Krise nicht benutzen, um eine „Mentalität des Kalten Krieges“ zu schüren. Bei seinem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken warnte Wang Washington eindringlich, nicht die „Taiwan-Karte“ zu spielen und ihr „Nullsummenspiel“ aufzugeben.

Während sich Chinas Regierungsvertreter gewöhnlich einer diplomatischen Sprache bedienen, unterliegt die Global Times nicht denselben Zwängen. In einem Kommentar (7.7.) zu Blinkens Absichten für das Bali-Treffen erinnerte die Zeitung daran, daß die G20 „weder ein exklusiver Club des Westens noch eine Plattform im Besitz der USA ist. Eine Mehrheit der Länder der Welt hat sich den vom Westen angeführten Sanktionen gegen Rußland nicht angeschlossen, und die G20 besteht aus vielen Entwicklungsländern, die nicht nach der Pfeife der USA tanzen.“ Anders als die G7 vertrete die G20 aufstrebende Mächte, „die nach Lösungen für Herausforderungen wie Wirtschaftsturbulenzen und Nahrungsmittelkrisen suchen, anstatt die Welt durch die Schaffung weiterer geopolitischer Konflikte zu spalten“.