Jawohl, Europa ist auf einem selbstmörderischen Kurs

Nach dem Donner kommt der Regen: Seit drei Monaten wirbt die EU für ein Energieembargo. Nun ist es gekommen – allerdings nicht gegen Rußland, sondern gegen die EU selbst. Gazprom hat die Gasflüsse durch Nord Stream 1 nach Deutschland um 60% und nach Italien um 50% reduziert. Wer an Präsident Putins Aussage, die europäische Energiepolitik sei „selbstmörderisch“, noch Zweifel hatte, sehe sich an, wie die Regierungen reagieren.

Berlin und Rom erklären übereinstimmend, daß die Kürzungen die nationale Energieversorgung vorerst nicht gefährden, weil das Angebot derzeit höher als die Nachfrage ist. Aber die verringerten Lieferungen verhindern ein Wiederauffüllen der Vorräte und gefährden die nationale Versorgung im nächsten Winter, so daß der Verbrauch jetzt reduziert werden muß.

Bloomberg zitierte letzte Woche das Fachunternehmen Wood Mackenzie, bei einem vollständigen Lieferstopp über Nord Stream 1 drohten die Reserven für den Spitzenbedarf in der Mitte des nächsten Winters auszugehen.

Moskaus Einsatz der „Gaswaffe“ war zu erwarten. Trotz der gegenteiligen Rhetorik Brüssels sind die EU-Staaten Beteiligte im Krieg gegen Rußland, weil sie der Ukraine Waffen liefern. Der italienische Ministerpräsident Draghi gab dies am 16.6. in Kiew selbst zu: „Wir sind hier, um der Ukraine in diesem Krieg zu helfen.“

Die Europäer, auf die nun ein gewaltiger Hammer niedergeht, wären also gut beraten, sich für einen Waffenstillstand einzusetzen und die Sanktionen aufzuheben, um größeren Schaden für ihre Bevölkerung und Wirtschaft zu verhindern. Doch stattdessen planen Rom und Berlin, wie nach einem gemeinsamen Drehbuch (geschrieben in Brüssel?), Energiekürzungen für Unternehmen und fordern dazu auf, „für die Freiheit zu frieren“.

Laut einem fünfseitigen internen Dokument des deutschen Wirtschaftsministeriums, das von dpa veröffentlicht wurde, sind folgende Maßnahmen geplant: 1. Ein Kredit der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über 15 Mrd.€ an die für die deutsche Gasversorgung zuständige Trading Hub Europe, um Gas zum derzeitigen teuren Preis ausschließlich zum Auffüllen der Lager zu kaufen. Vorausgesetzt, es gibt genügend Gas auf dem Markt, fließt dieses Geld direkt in die Taschen der Spekulanten; 2. Ausgleichszahlungen für Unternehmen, die ihre Produktion drosseln, um Gas zu sparen; 3. Wiederinbetriebnahme aller Kohlekraftwerke – von der „Rettung des Planeten“ vor der Klimakatastrophe ist plötzlich keine Rede mehr.

In Italien bereitet der Minister für die grüne Wende, Roberto Cingolani, ähnliches vor: 1. Kürzungen bei der Industrie, zunächst auf „Einladung“ des nationalen Versorgers Snam; 2. volle Nutzung der sechs verfügbaren Kohlekraftwerke; 3. Senkung der Heiztemperatur in Haushalten und öffentlichen Büros um 1-2°C; 4. Reduzierung der öffentlichen Beleuchtung auf den Straßen u.ä. Zudem könnten ähnliche Maßnahmen wie während des Ölschocks 1973 erwogen werden, z.B. autofreie Sonntage.

Hohe Inflation, Energieknappheit, Produktionsausfälle, soziales Elend: Die EU fügt sich selbst das zu, was sie Rußland durch die Sanktionen zufügen wollte. Es ist an der Zeit, sich solcher gescheiterten Eliten zu entledigen!

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