Italien, Frankreich, Deutschland entkoppeln sich von der Entkopplung

Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen, daß die großen europäischen Länder trotz starken politischen Drucks nicht bereit sind, sich nach der Abkopplung von Rußland auch von China wirtschaftlich abzukoppeln – zumindest nicht vollständig.

Wir berichteten über den Besuch von Bundeskanzler Scholz in Peking und über die Erklärung bedeutender Unternehmensführer, wie wichtig die Aufrechterhaltung und der Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China ist. Eine ähnliche Erklärung wurde zum Abschluß des Treffens zwischen Xi Jinping und der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni abgegeben, die sich am 16.11. am Rande des G20-Gipfels in Bali trafen. Ihr Treffen war von einem Geist der Freundschaft und Zusammenarbeit geprägt und enttäuschte all jene, die gehofft hatten, daß die neue Regierungschefin eine China-feindliche Politik einleiten würde.

Das chinesisch-italienische Seidenstraßen-Memorandum von 2019 wurde nicht erwähnt, aber es wurde beschlossen, die im Rahmen dieses Dokuments eingeführten institutionellen Formen der Zusammenarbeit zu reaktivieren. Beide erinnerten an die jahrtausendealte Geschichte beider Länder als kulturelle Grundlage für die gegenseitig nutzbringenden Beziehungen. Wie das Pekinger Außenministerium mitteilte: „Als zwei uralte Zivilisationen sind China und Italien umfassende strategische Partner, die weitreichende gemeinsame Interessen und ein tiefes Fundament für die Zusammenarbeit teilen.“

Zu den Bereichen, in denen man nach Xis Vorschlag das Potential für Zusammenarbeit ausloten sollte, gehören „High-End-Produktion, saubere Energie, Luft- und Raumfahrt und Drittmärkte. China fördert die Öffnung auf hohem Niveau und wird mehr Qualitätsprodukte aus Italien importieren.“ Außerdem ist Italien als Ehrengast der China International Consumer Products Expo 2023 eingeladen.

Meloni erklärte laut dem chinesischen Staatsrat, Italien wünsche keine Blockkonfrontation und „ist überzeugt, daß Länder ihre Unterschiede und Differenzen respektieren, die Solidarität stärken, den Dialog und den Austausch aufrechterhalten und das gegenseitige Verständnis verbessern sollten“. Sie wies auch auf die wachsende Bedeutung Asiens für die Welt hin.

Die italienische Fassung ist kürzer, aber inhaltlich ähnlich. Sogenannte Menschenrechtsfragen als solche wurden nicht angesprochen, aber als Themen genannt, die über geeignete Kanäle behandelt werden sollten. Xi lud Meloni nach China ein, und sie nahm an. Gerüchten zufolge wird China 200 italienische ATR42-Regionalflugzeuge bestellen.

Ein weiteres Signal gegen die Abkopplung kam aus Paris, wo am selben Tag (15.11.), an dem Präsident Macron Xi in Bali traf, ein hochrangiges chinesisch-französisches Forum stattfand, das von der chinesischen Botschaft unter Beteiligung von Schlüsselpersonen des französischen politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Establishments organisiert wurde. Die Botschaft des chinesischen Botschafters Lu Shaye lautete: „China ist weder ein Rivale noch eine Bedrohung für Frankreich oder Europa, sondern ein Partner und eine Chance.“

Xi ermutigte Macron, sich für die Verbesserung von Chinas Stellung in der EU einzusetzen, die durch negative Medienberichterstattung und die Einmischung Dritter stark beeinträchtigt wurde, damit die EU weiterhin eine unabhängige und positive Politik gegenüber China verfolgt. „Frankreich und Europa sollten die Logik einer Konfrontation zwischen Blöcken ablehnen.“

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