Importstopp für russisches Gas würde EU viel härter treffen als Rußland

In der ideologisch aufgeheizten Debatte in der EU über ein vollständiges Embargo gegen russisches Gas wird ein Faktor gerne vergessen: Die Auswirkungen auf die russische Wirtschaft wären weniger drakonisch als bei uns. Zwar gehen 73% der russischen Gasexporte nach Europa, aber sie machen nur 11% aller russischen Exporte aus. Die russische Wirtschaft kann also wahrscheinlich mit den Folgen eines Verbots leben, während lebenswichtige, vom Gas abhängige Industrie in Europa und insbesondere in Deutschland dies nicht könnte. Sie müßte den Betrieb einstellen.

Diese Tatsache führt zu eindringlichen Warnungen führender deutscher Unternehmen, darunter erst letzte Woche der Chemieriese BASF und Siemens Energy. Der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, erklärte am 31.3. trotz Protesten, im Falle eines Embargos würde mit der Industrie das Rückgrat der deutschen Wirtschaft brechen.

BASF-Chef Martin Brudermüller sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, ein solches Embargo könnte die deutsche Wirtschaft in die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg stürzen und würde insbesondere die Existenz von mittleren und kleinen Unternehmen gefährden. Ein solches Experiment wäre unverantwortlich, auch wenn sich die meisten Menschen über die Folgen nicht im klaren seien. Sobald nur 50% der Gaslieferungen ausfielen, müßte beispielsweise das BASF-Werk in Ludwigshafen mit Zehntausenden von Arbeitsplätzen geschlossen werden.

Der Vorstandschef von Siemens Energy, Christian Bruch, bestätigte gegenüber dem Handelsblatt (1.4.), daß die negativen Auswirkungen auf Deutschland größer wären als die auf Rußland. Kurzfristig seien die von Rußland gelieferten Mengen nicht zu ersetzen.

Aufgrund der vom Westen verhängten Sanktionen hat Moskau beschlossen, daß Exporte in „unfreundliche“ Länder nun in Rubel bezahlt werden müssen. Die Gasimporteure sollen ein Konto bei der Gazprombank eröffnen und die Zahlungen in Euro fortsetzen, die dann auf einem separaten Konto in Rubel umgetauscht werden. Diese Methode scheint praktikabel zu sein und würde Störungen vermeiden, aber die deutsche Regierung zögert, weil die anglo-amerikanischen Fanatiker Druck ausüben, ohne Rücksicht auf Europa die russische Wirtschaft zu zerstören. Gleichzeitig würde die Aussetzung aller russischen Gas- und Ölimporte den „Green Deal“-Szenarien zur Reduzierung des Energieverbrauchs in die Hände spielen, um das Wachstum zu stoppen.

*** OP CUT Andererseits hat die slowakische Regierung, die sonst strikt den EU-Sanktionen folgt, am 3.4. angekündigt, in Rubel zu zahlen, wenn das nötig ist, um den Rohstofffluß zu sichern, wie Wirtschaftsminister Richard Sulik im nationalen Fernsehen erklärte. Da die russischen Importe etwa 85% des Gesamtbedarfs des Landes ausmachen, „können wir nicht vom Gas abgeschnitten werden“. Auch Ungarn hat deutlich gemacht, daß es an seinem bilateralen Abkommen mit Rußland festhält (s.u.). ***

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