Großbritannien: Chaos auf den Märkten und in der Regierung

Es mag unfair sein, Liz Truss an allem die Schuld zu geben, aber die durch ihren Haushaltsentwurf ausgelöste „britische Anleihenkrise“, wie man sie nennen wird, ließ nicht nur bei britischen Pensionsfonds und Banken, sondern auch auf dem US-Anleihenmarkt und bei Schweizer Banken gefährliche Risse aufreißen – um nur die sichtbarsten Fälle zu nennen (s.u.). Letztlich verlor Premierministerin Truss ihren Kampf gegen die Bank von England, sie mußte ihren glücklosen Finanzminister entlassen und ihren Plan für Steuersenkungen rückgängig machen. Not-Liquiditätsspritzen der Zentralbank stoppten vorübergehend den Absturz der Staatsanleihen (Gilts), aber die galoppierende Inflation konnte sie nicht bändigen, und in anderen Bereichen des globalen Finanzsystems kommt es zu Liquiditätskrisen.

Wenn wir hier das Geschehen zusammenfassen, muß sich der Leser vor Augen halten, daß unabhängig von allen möglichen Auslösern die eigentliche Ursache der gegenwärtigen, finalen Krise des Finanzsystems das ist, was Lyndon LaRouche schon vor langer Zeit identifiziert hat: eine Pyramide finanzieller Werte, die von der realen, physischen Produktivität abgekoppelt ist. Schon früh warnte LaRouche, die Finanzblase der Zentralbanken sei „potentiell hyperinflationär“, aber Magier wie Alan Greenspan, Ben Bernanke oder Mario Draghi erzählten uns, die Liquidität würde nur im Bereich der Finanzwerte geschaffen und bliebe dort, d.h. die Inflation der Vermögenswerte würde niemals auf die Verbraucherpreise übergreifen…

Aber genau das tat sie – wie LaRouche gewarnt hatte. Im Frühjahr letzten Jahres stiegen die Energie- und Rohstoffpreise exponentiell an, als das Finanzsystem nicht mehr genügend nominelle Gewinne hervorbringen konnte und sich die immense Liquidität der Blase auf die Energie-, Lebensmittel- und anderen Rohstoffmärkte ergoß und das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage verschärfte. Im Energiesektor boten die Kapazitätskürzungen im Zuge der „Energiewende“ den Hedge- und Geierfonds eine einmalige Gelegenheit, die Preise in die Höhe zu treiben – lange vor dem Krieg in der Ukraine.

Nachdem die Zentralbanken sich monatelang darauf versteift hatten, die Inflation sei „vorübergehend“, versuchten sie, mit Zinserhöhungen auf die Bremse zu treten. Zu spät. Das System war in einen „Grenzzustand“ (so LaRouches Definition) eingetreten, wo keine konventionellen Maßnahmen mehr greifen. Es stand entweder kurz vor einer Hyperinflation oder einem kettenreaktionsartigen Kollaps.

Genau das sehen wir in der britischen Anleihenkrise: Truss‘ Steuersenkungsplan beschleunigte den Wertverlust britischer Gilts, den die Zinserhöhungen schon ausgelöst hatten; dies löste eine Welle von Nachschußforderungen für die von den Pensionsfonds hinterlegten Sicherheiten aus; die Bank von England reagierte, indem sie innerhalb weniger Tage 65 Mrd. Pfund nachschoß und kurz- und langfristige Repo-Fazilitäten für die Banken eröffnete. Der Sturm legte sich erst, als Truss eine 180-Grad-Kehrtwende in der Regierungspolitik ankündigte. Viele erwarten nun, daß 10 Downing Street sehr bald einen neuen Bewohner bekommt.

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