Gen. Kujat, Ex-Vorsitzender des NATO-Militärausschusses: „Rußland ist keineswegs isoliert“

General a.D. Harald Kujat hat Ende August zusammen mit drei weiteren deutschen Experten den bisher vielleicht detailliertesten Vorschlag für eine Verhandlungslösung des Krieges in der Ukraine vorgelegt (vgl. SAS 39/23). Gen. Kujat war von 2000-02 Generalinspekteur der Bundeswehr und beendete seine militärische Laufbahn als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses (2002-05).

Kujat wurde von der Preußischen Allgemeinen gebeten, zu Seymour Hershs Ansicht Stellung zu nehmen, daß der Krieg in der Ukraine beendet sei und Rußland gewonnen habe.

In dem am 29.10. veröffentlichten Interview erklärt er, ganz so einfach sei es nicht. In politischer Hinsicht sei im Krieg derjenige der Sieger, der seine politischen Ziele durchsetzt, und im Fall der Ukraine sei das keine der beiden Seiten. „Rußland wollte die NATO-Erweiterung verhindern und muß nun den Beitritt Finnlands und Schwedens hinnehmen. Die Vereinigten Staaten wollten mit ihrer Unterstützung der Ukraine den geopolitischen Rivalen Rußland politisch, ökonomisch und militärisch schwächen. Auch dies ist nicht eingetreten. Rußland ist keineswegs isoliert, die BRICS-Organisation hat am 24. August sogar sechs neue Mitglieder aufgenommen. Weitere Staaten wollen beitreten, darunter die NATO-Mitglieder Türkei und Griechenland. Die Wirtschaftssanktionen erweisen sich vor allem für den Westen als Nachteil. Und militärisch ist Rußland stärker als vor dem Krieg. Auch die Ukraine, deren Ziel die Wiederherstellung der vollen Souveränität über ihr gesamtes Staatsgebiet in den Grenzen von 1991 ist, wird dieses Ziel nicht erreichen.“

Militärisch „neigt sich das Geschehen eindeutig zugunsten Rußlands. Im Grunde sehen wir eine asymmetrische Operationsführung. Die Ukraine versucht unter extrem hohen Opfern, Quadratmeter um Quadratmeter russisch besetzten Territoriums zurückzuerobern. Rußland hat sich hingegen auf eine strategische Defensive verlegt mit dem Ziel, den ukrainischen Streitkräften immer größere Verluste beizubringen und die Ukraine wehrlos zu machen. Die vor fast fünf Monaten mit großen Erwartungen begonnene ukrainische Offensive hat nicht die gewünschten Erfolge gebracht.“

Er geht dann auf verschiedene Szenarien für die kommenden Monate ein. Auch in der Schweizer Zeitschrift Zeitgeschehen im Focus (26.10.) erschien ein Beitrag von Kujat und Prof. Hajo Funke von der Freien Universität Berlin („Wie eine aussichtsreiche Friedensregelung des Ukraine-Krieges verhindert wurde“), die darlegen, wie die ukrainisch-russischen Friedensgespräche im Frühjahr 2022 vom Westen sabotiert wurden.

Print Friendly, PDF & Email