EU-Spitze: Phantasien einer Kriegswirtschaft

In der Woche zwischen der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und dem Ecofin-Treffen der EU-Finanzminister begann sich abzuzeichnen, daß Europa sein Heil in der Aufrüstung sucht. Den Anfang machte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, der in München für den Verteidigungshaushalt ein Ziel von 3,5% des BIP in einigen Jahren vorgab, weit über den von der NATO geforderten 2%. Finanzminister Christian Lindner versprach finanzielle Deregulierung, die Investitionen in das Wettrüsten für Anleger attraktiver machen soll.

Die estnische Premierministerin Kaja Kallas, die von einigen in Brüssel als künftige „EU-Verteidigungskommissarin“ gehandelt wird, nutzte auf der MSC den Rummel um den Fall Nawalny, um nach dem Vorbild des „Pandemiefonds“ die Ausgabe von 100 Milliarden Eurobonds zur Finanzierung von Aufrüstung gegen Rußland vorzuschlagen.

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire griff dies auf der Ecofin-Tagung am 22.2. in Gent auf. Er schlug vor, „alle Ersparnisse der Europäer – 35.000 Milliarden Euro – zu mobilisieren, um den Klimawandel zu finanzieren, unsere Verteidigungsanstrengungen zu bezahlen und in künstliche Intelligenz zu investieren. Da die Dinge nicht mit allen 27 Mitgliedern vorankommen, habe ich vorgeschlagen, daß wir auf freiwilliger Basis mit einer kleinen Anzahl von Mitgliedstaaten vorankommen…“

Damit war die Bühne für den ehemaligen EZB-Chef Mario Draghi bereitet, der vor dem Ecofin-Rat sprach und seine unverdiente Aura der Kompetenz nutzte, um die versammelten Regierungsvertreter über die Notwendigkeit massiver Investitionen in den Militärsektor und den Klimaschutz zu belehren: „Ich meine nicht nur staatliche Gelder, sondern auch private Ersparnisse: wie man private Ressourcen in einem viel höheren Maße als in der Vergangenheit mobilisieren kann.“ Er könne es gar nicht erwarten, über Mittel und Wege dahin zu diskutieren, sagte Draghi.

Es sollte klar sein, was eine solche Politik für die europäische Wirtschaft bedeuten würde. Die sog. Klima-Wende bedeutet einen Netto-Produktivitätsverlust, der so groß ist, daß niemand bereit ist, ohne enorme staatliche Anreize darin zu investieren, und Rüstungsinvestitionen waren noch nie produktiv und erzeugen nur einen kurzlebigen „Aufrüstungsboom“. Beide sind tendenziell inflationär. In einer Zeit, in der alle europäischen Volkswirtschaften schrumpfen und überschuldet sind, würden dann knappe Mittel nicht in die Schaffung produktiver Arbeitsplätze, sondern in unproduktive Aktivitäten und neue Finanzblasen fließen.

Das Problem für Draghi, Le Maire, Kallas und Konsorten ist, daß die Regierungen so überschuldet sind, daß sie einen Weg außerhalb der Staatshaushalte finden müssen, um die Aufrüstung zu finanzieren. Deshalb reden sie von einer modernen Version von Kriegsanleihen, um private Ersparnisse anzulocken. Für Deutschland bedeutet die von Kanzler Scholz versprochene eine Ausweitung des Verteidigungshaushalts, eine Steigerung von 65,3 Mrd.$ auf 142,8 Mrd.$. Derzeit beläuft sich die Gesamtsumme aller nationalen Verteidigungsbudgets in der EU auf weniger als 300 Mrd.$. Aber die EU-Dummköpfe phantasieren davon, das US-Niveau von 877 Mrd.$ zu erreichen, obwohl das die meisten Staatshaushalte völlig überfordern würde.

Deshalb wollen sie etwas ähnliches auf die Beine stellen wie Hjalmar Schacht, Hitlers Zentralbanker und Finanzminister, bei der Wiederaufrüstung der Nazis. Schacht ließ über eine kleine Firma, die Metall Forschungsgesellschaft (Mefo), eine riesige Menge an Schuldscheinen ausgeben, die von der Zentralbank verzinst wurden, um die Aufrüstung zu finanzieren. Das System der Eurobonds ist ähnlich, wobei die Rolle der Mefo von der EU, einer nichtstaatlichen Einrichtung, übernommen wird, die ausgegebenen Schuldtitel aber letztlich von den Mitgliedstaaten garantiert werden. Bisher wird diese Idee einer EU-Kriegsanleihe von Deutschland und anderen „fiskalisch disziplinierten“ Ländern abgelehnt. Christian Lindner z.B. möchte, daß die Aufrüstung über die entsprechend mit Kapital ausgestattete Europäische Investitionsbank (EIB) finanziert wird.

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