Energiesparpläne: EU begeht wirtschaftlichen Selbstmord

Die Handelsbilanz der großen europäischen Länder ist in den ersten sechs Monaten des Jahres dramatisch eingebrochen, aus „Exportchampions“ wurden Exportdefizitländer. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft der EU, gingen die Exporte um 13% zurück, während die Importe um 27% stiegen. Der Handelsbilanzüberschuß sank im Vergleich zum Vorjahr von 96 auf 36 Mrd.€. Die Energieeinfuhren aus Rußland schrumpften um 24%, aber die Kosten stiegen um 51%.

Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft, verzeichnete ein Handelsbilanzdefizit von 71 Mrd.€, ein Anstieg um 39% gegenüber dem zweiten Halbjahr 2021. Italien, die zweitgrößte produzierende Wirtschaft der Eurozone, erlitt das erste Handelsdefizit seit zehn Jahren mit -13 Mrd.€, gegenüber einem Plus von 29 Mrd.€ im ersten Halbjahr 2021.

Der gemeinsame Faktor der schlechteren Handelsbilanz sind die steigenden Energiekosten. Obwohl die Einfuhren aus Rußland mengenmäßig zurückgingen, nahmen ihre Kosten und ihre Auswirkungen auf die Handelsbilanz zu. Gleichzeitig wurden russische Gasimporte durch teureres Flüssiggas (LNG) ersetzt. Auch die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar trug dazu bei, daß importierte Energie teurer wurde.

Angesichts solcher Zahlen könnte man erwarten, daß die europäischen Regierungen wirksame Gegenmaßnahmen vorschlagen. Doch bisher geschieht nichts.

Der deutsche Fall ist angesichts des wirtschaftlichen Gewichts des Landes besonders beunruhigend. Wachsende Proteste des Mittelstands, großer Industriekonzerne und Verbraucherverbände gegen den Ausstieg aus Kohle, Gas, Öl und Kernkraft werden von der Regierung bisher beiseite gewischt. Nach wie vor behauptet Berlin, der Green Deal zum kompletten Umstieg auf „Erneuerbare“ (Sonne, Wind, Biomasse) sei die richtige Strategie, und bei Problemen stünden „Alternativen“ zum russischen Gas zur Verfügung, wie LNG aus den USA. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat zwar eine vorübergehende Wiederbelebung von Kohlebergbau und Kohleverstromung zur Überbrückung von Versorgungslücken angekündigt, aber den Worten folgten keine konkreten Maßnahmen.

Und dann ist da noch der Wunschtraum der Gaspipeline Midcat (Midi-Catalunya), worüber Kanzler Olaf Scholz kürzlich mit den Regierungen Frankreichs, Spaniens und Portugals sprach. Es geht um die Wiederbelebung des Projekts einer Pipeline zwischen Spanien und Frankreich durch die Pyrenäen, das beide Länder 2013 vereinbart, aber nie gebaut und 2019 als zu kostspielig aufgegeben hatten. So wie es jetzt diskutiert wird, soll die Pipeline Gas (hauptsächlich LNG aus den USA) von der portugiesischen Atlantikküste durch Spanien und Frankreich nach Mitteleuropa pumpen. Die Kapazität würde jedoch die Importe aus Rußland nicht ausgleichen. Und die Leitung würde nicht vor 2024 in Betrieb gehen, selbst wenn der Bau sofort beginnt. Eine weitere Option wäre die Verlängerung der Unterwasserpipeline zwischen Algerien und Südspanien nach Deutschland.

Es gibt jedoch eine viel vernünftigere Lösung. Deutschland könnte seinen irrationalen Widerstand gegen die Kernenergie aufgeben und mit den geopolitischen Spielen der USA brechen, indem es beschließt, endlich die Pipeline Nord Stream 2 zu eröffnen, die in kürzester Zeit mit der Erdgasversorgung beginnen könnte.

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