Eine neue globale Sicherheitsarchitektur ist dringender denn je

Am Abend des 21.2. gab der russische Präsident Wladimir Putin bekannt, daß er den Prozeß der Anerkennung der selbsternannten Donbaß-Republiken eingeleitet hat, nachdem er zu dem Schluß gekommen war, daß Kiew keine Absicht zeigt, ihnen Autonomie gemäß den Minsker Vereinbarungen zu gewähren. Tatsächlich sind die Operationen der ukrainischen Armee im Donbaß in den vergangenen Tagen eskaliert und zwangen die örtlichen Behörden, die Zivilbevölkerung zu evakuieren, um einen Massenmord zu verhindern.

Während westliche Medien und Politiker über „Völkerrechtsverletzungen“ schwadronieren und mit „tödlichen Sanktionen“ drohen, twitterte der ehemalige französische Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade: „Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit von Donezk und Lugansk und dem Befehl an die russische Armee, zur ,Friedenssicherung‘ einzurücken, überschreitet Putin eine rote Linie. Aber die USA und die NATO sind die Provokateure, denn sie haben es versäumt, die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen durchzusetzen.“

Nach Rußlands Anerkennung der Donbaß-Republiken stehen Washington und die NATO-Länder vor der Wahl: entweder die Situation durch Sanktionen verschärfen, oder ernsthaft mit Rußland über ein globales Sicherheitsabkommen verhandeln. Dazu gehört die Garantie, daß die Ukraine niemals der NATO beitritt und nuklearfähige Trägerraketen aus Ländern des früheren Warschauer Pakts abgezogen werden.

Entscheidet sich der Westen für den Weg der Verhandlungen oder den einer umgekehrten Kuba-Raketenkrise? Die Sanktionen, die nach der Erklärung vom 21.2. angekündigt wurden, werden Moskau nicht abschrecken. Putin hat in seiner Rede an die Nation wiederholt erklärt, der Westen werde in jedem Fall Sanktionen verhängen, ganz gleich, wozu Rußland sich entschließt. Wie der russische Analyst Andrej Kortunow am 10.2. in einem Interview ausführte, gibt es in der russischen Diplomatie zwei strategische Überlegungen, Sicherheit und Wirtschaft – und Putin hat „die Sicherheit eindeutig über die wirtschaftlichen Interessen gestellt“.

Auch die Rolle Chinas muß in der Gleichung berücksichtigt werden. Bei ihrem jüngsten Gipfeltreffen haben Putin und Xi Jinping sicherlich die verschiedenen Auswirkungen der strategischen Krise erörtert. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende machte Außenminister Wang Yi deutlich, daß China seinem Verbündeten Rußland in der Auseinandersetzung mit der NATO zur Seite steht. Im schlimmsten Fall brutaler Wirtschaftssanktionen kann Moskau sich auf seinen chinesischen Verbündeten verlassen, um die Folgen abzuschwächen.

Der Hauptverlierer wird dagegen Europa sein, wenn Sanktionen die Handelsbeziehungen mit Rußland beeinträchtigen. Die italienische Regierung hat sich bereits gegen Sanktionen ausgesprochen, die den Energiesektor treffen, und auch Deutschland ist anfällig für eine Unterbrechung der russischen Gaslieferungen.

Wird die Vernunft siegen und eine neue strategische Nuklearkonfrontation vermieden? Die Signale auf der Münchner Sicherheitskonferenz waren negativ: Die Teilnehmer wetterten hysterisch gegen die Partnerschaft zwischen China und Rußland, und Ursula von der Leyen drehte den Spieß um und beschuldigte Moskau und Peking, eine „neue Ära“ anzustreben, in der das Recht des Stärkeren gelte.

Es stimmt, daß die Partnerschaft zwischen Rußland und China eine Bedrohung darstellt – allerdings für ein kollabierendes globales System, das auf Regimewechsel, Hyperinflation und Kriegen beruht. Das Beharren auf diesem System ist die Dynamik, die zu Spannungen und globalen Kriegen führt, wie auf dem Webinar des Schiller-Instituts am 19.2. betont wurde (s.u.). Verhandlungen über eine neue globale Sicherheits- und Wirtschaftsarchitektur nach den Prinzipien des Westfälischen Friedens sind dringender denn je.

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