Die intellektuelle Unehrlichkeit der EU gegenüber der Ukraine

Wenn die russische Führung noch einen guten Grund brauchte, Versprechungen ihrer westlichen Partner nicht zu trauen, dann erhielt sie ihn im Dezember von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ex-Präsident François Hollande, die beide Garanten der Minsker Vereinbarungen von 2014-15 waren (vgl. SAS 50/22, 1/23). Beide haben zugegeben, daß sie nie die Absicht hatten, diese Vereinbarungen für einen Waffenstillstand im Donbaß und die Aushandlung einer Autonomie umzusetzen, sondern nur auf Zeit spielten, damit die Ukraine gegen Rußland aufrüsten konnte.

Zur Erinnerung: Die Bundeskanzlerin sagte der Zeit (7.12.): „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“ Als der Kyiv Independent Hollande in einem Interview vom 28.12. danach fragte, antwortete er, Merkel habe Recht.

Unabhängig davon, was die beiden Ex-Regierungschefs jetzt zu ihren Bekenntnissen veranlaßt hat, zeigt dies, daß die russische Militäroperation 2022 kein „Angriffskrieg“ war, sondern einer Eskalation des Tötens im Donbaß und darüber hinaus zuvorkommen sollte.

Die Heuchelei des Westens ist noch größer, da die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Rußland von der Erfüllung ebendieser Minsker Vereinbarungen abhängig gemacht wurde – während die Beteiligten sie von Anfang an sabotierten. Der damalige Vorsitzende des Europäischen Rates, Donald Tusk, erklärte auf einem EU-Gipfel in Brüssel am 19. März 2015: „Die Dauer der Wirtschaftssanktionen wird eindeutig an die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens geknüpft, wobei zu bedenken ist, daß diese erst für Ende 2015 vorgesehen ist.“ Merkel sagte am 14.9.2018 auf einer Pressekonferenz in Vilnius: „Bevor wir keine Fortschritte beim Minsker Abkommen sehen, kann nicht darüber gesprochen werden, daß die Sanktionen aufgehoben werden“

Inzwischen hat die EU neun Runden von Sanktionen verhängt, mit dem Ziel, die russische Wirtschaft abzuwürgen. Tatsächlich schaden sie den Volkswirtschaften der EU-Staaten mehr als der russischen (s.u.). Gleichzeitig lassen wichtige EU-Länder praktisch jeden Anschein fallen, sich nicht am Krieg zu beteiligen, sondern liefern Kiew immer mehr Waffen, Geld und Geheimdienstinformationen.

Diese Doppelzüngigkeit der EU und insbesondere Frankreichs wurde scharf angeprangert vom Ökonomen Pierre de Gaulle, dem Enkel von Präsident Charles de Gaulle, der immer nachdrücklich für ein „Europa vom Atlantik bis zum Ural“ eingetreten war. Auf einer Versammlung der Vereinigung für den Französisch-Russischen Dialog in Paris am 16.12. verurteilte Pierre de Gaulle die „intellektuelle Unredlichkeit der EU in der Ukraine-Krise“, da der Krieg von den Amerikanern und der NATO provoziert worden sei. Zu Merkels Eingeständnis bezüglich des Minsker Abkommens stellte er fest, die Nichtumsetzung dieses Abkommens durch die EU habe den Tod von 16-18.000 Menschen im Donbaß zur Folge gehabt. In Deutschland hat Oskar Lafontaine auf der Website NachDenkSeiten de Gaulles Vorwürfe bekräftigt.