Deutschland versinkt weiter im Sumpf der Deindustrialisierung

Nicht zuletzt weil selbst Chefs von Industrieunternehmen das Wort „Deindustrialisierung“ meiden, verleugnen Deutschlands Spitzenpolitiker und Mainstream-Medien noch immer diese Realität. Schweizer Medien hingegen haben sich wiederholt besorgt darüber geäußert, daß der Rückgang der Industrieproduktion ihres nördlichen Nachbarn die Schweizer Industrie, einen wichtigen deutschen Handelspartner, beeinträchtigt.

Die Neue Zürcher Zeitung widmete am 2.9. dem Thema eine ganze Seite unter dem Titel „Der Fall Deutschland: Abstieg einer Wirtschaftsmacht“. Dort heißt es: „…das ganze Land lebt von der Industrie. Zur gesamten Wertschöpfung im Land trug das verarbeitende Gewerbe zuletzt rund 20 Prozent bei. Das ist deutlich mehr als im Nachbarland Frankreich (16,8 Prozent) oder in den USA (18,4 Prozent).“

Die Schweizer Tageszeitung bietet dann einer deutschen Spitzenmanagerin ein Forum, um die nötige Alarmstimmung zu erzeugen: „Wir sind in Deutschland bereits inmitten einer Deindustrialisierung“, zitiert sie Sabine Nikolaus, Deutschland-Chefin des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, und verweist auf eine ganze Reihe von Industriekonzernen, die in den vergangenen Monaten angekündigt haben, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern – oder dies bereits getan haben.

Als Beispiel nennt die NZZ den Chemieriesen BASF: Wegen der hohen Energiekosten hat das Traditionsunternehmen am Standort Ludwigshafen mehrere Produktionsanlagen stillgelegt, darunter eine Ammoniakanlage zur Herstellung von Düngemitteln. Insgesamt will das Unternehmen etwa ein Zehntel seiner Produktionskapazitäten in Ludwigshafen abbauen – und damit auch die hochqualifizierten Arbeitsplätze.

Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) erwägen derzeit 43,4% aller Industrieunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, ihre Kapazitäten ins Ausland zu verlagern. Sabine Nikolaus ist von solchen Zahlen nicht überrascht: „Während in Deutschland manche den Wert der Industrie nicht erkannt haben, haben andere Länder das sehr wohl.“

In Deutschland selbst ist der Hellmeyer Report eines der wenigen Medien, die die Realität der Deindustrialisierung nüchtern darstellen:

„Wir leben seit 300 Jahren in einem energetischen Zeitalter. Der erzielte Wohlstand ist korreliert mit intensiverer und optimierter Nutzung der Energie. Ohne Energie geht nichts, gar nichts. Deutschland ist als einziges Land des Westens mit diesem sensiblen Thema seit Merkels Energiewende (Wende ohne Netz!?!) historisch einmalig unprofessionell umgegangen. Der Verlust der Strukturen wäre vielfach teurer und innenpolitisch riskanter, als jetzt die uns tragenden Strukturen mit fraglos teuren Notfallmaßnahmen durch diese selbst verantwortete Krise (auch Wähler und Medien) zu bringen.“

Der Herausgeber des Reports, Folker Hellmeyer, ein Außenseiter in der deutschen Medienlandschaft, ist ehemaliger Chefvolkswirt der Bremer Landesbank.

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