Deutschland: erste Stromrationierung im Güterbahnverkehr, Rufe nach Atomkraft

Am 23.3. mußte die Deutsche Bahn (DB) fast den gesamten Schienengüterverkehr für mehrere Stunden einstellen, weil die Stromversorgung – das Unternehmen hat eigene Kraftwerke – so eingebrochen war, daß keine Kapazitäten für den Betrieb von Nicht-Personenzügen zur Verfügung standen. Die Logistikunternehmen, die den Güterverkehr auf der Schiene abwickeln, waren nicht vorgewarnt, und ihr Verband fordert eine Untersuchung des Vorfalls, da der Güterverkehr für die Industrienation und die Versorgung der Bevölkerung „systemrelevant“ sei, wie der Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE), Peter Westenberger, betonte.

Der Beinahe-Stromausfall, der offenbar durch fehlende Einspeisung aus Solar- und Windkraftanlagen verursacht wurde, sollte ein Weckruf sein, daß die grünen Träume der Bundesregierung zu Energieverknappung auf breiter Front führen werden. In der Tat hat die für die Energieversorgung zuständige DB Energie viel in „grüne“ Energiequellen investiert, in der Illusion, der Schienenverkehr auf der Grundlage „erneuerbarer“ Energien hätte eine Zukunft.

Es gab und gibt viele Warnungen von Experten, daß diese Strategie direkt in die Katastrophe führt, aber die Regierungen haben nicht auf sie gehört. Die Bundesnetzagentur spricht bereits mit Vertretern der Industrie und der Energiewirtschaft über Krisenpläne für den Fall einer Gasversorgungskrise, u.a. über mögliche unvermeidbare Abschaltungen von Industrieanlagen.

Die Aussicht auf eine Energierationierung, verstärkt durch die Gefahr eines vollständigen Ausfalls des russischen Erdgases, läßt Befürworter der Kernenergie mit Forderungen nach einem Stopp oder sogar einer Umkehr der Ausstiegsstrategie der Regierung an die Öffentlichkeit treten. Am Tag nach der DB-Katastrophe bot die Bildzeitung eine Plattform für solche Forderungen und schrieb: „Nach Frankreich, Niederlande und Belgien wollen auch die Briten mehr AKW-Strom produzieren. Konkret plant Premier Boris Johnson den Bau von sechs neuen Meilern! Begründung: unabhängiger vom Erdgas werden! Und Deutschland? Schaltet Ende 2022 seine letzten drei Meiler ab!“

Laut der deutschen Boulevardzeitung hat der Branchenverband KernD (ehemals Deutsches Atomforum) der Regierung bereits angeboten, diese drei Kraftwerke weiter zu betreiben. Prof. Jörg Starflinger von der Universität Stuttgart wird zitiert, diese Anlagen seien „gut in Schuß, könnten problemlos noch mehrere Jahre weiterbetrieben werden“.

Innerhalb der CDU fordert die Mittelstandsvereinigung (MIT), die drei Ende 2021 abgeschalteten Reaktoren wieder ans Netz zu bringen und die Laufzeiten der drei aktiven Reaktoren um bis zu 10 Jahre zu verlängern. Ministerpräsident Markus Söder aus Bayern, wo einer der drei verbliebenen Reaktoren steht, sagte gegenüber Bild: „Deutschland darf nicht unüberlegt abschalten. Ohne Atomstrom wird es kalt und teuer im nächsten Winter. Als Brücke braucht es die Kernenergie noch für mindestens drei Jahre.“

Print Friendly, PDF & Email