Der NATO-Krieg in Afghanistan ist vorbei: kommt jetzt Frieden?

Am 30.8., einen Tag früher als geplant, verkündete der Chef des US-Zentralkommandos, Gen. Frank McKenzie, offiziell „das Ende der militärischen Komponente der Evakuierung“ und „das Ende der fast 20jährigen Mission, die kurz nach dem 11. September 2001 in Afghanistan begann“. Der Abzug markiert, auch wenn der Kommandeur dies nicht sagte, das Ende eines gescheiterten Systems, nämlich das der permanenten Kriege zur Aufrechterhaltung einer unipolaren (transatlantischen) Weltordnung.

Wie wir von Strategic Alert von Anfang an betont haben, bietet sich eine historische Chance, eine neue Weltordnung auf der Grundlage gegenseitiger Entwicklung und Zusammenarbeit zu schaffen. Konkret für Afghanistan bedeutet dies, daß der Westen mit Rußland, China und den Ländern der Region zusammenarbeiten muß, die alle ein Interesse daran haben, die neue Regierung einzubinden, die Lage zu stabilisieren und die Ausbreitung von Terrorismus und Opium aus Afghanistan zu verhindern.

Diese Perspektive wird von den Verfechtern der alten, imperialen Weltordnung, allen voran den Briten, hysterisch bekämpft (s.u.). So wurde auf dem G7-Treffen am 24.8. insbesondere von Premierminister Boris Johnson Druck auf Präsident Biden ausgeübt, die Frist für den Abzug zu verschieben, doch vergeblich. Daraufhin beriefen Frankreich und Großbritannien am 30.8. eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats ein und präsentierten eine Resolution für die Einrichtung einer „sicheren Zone“ in Kabul und „humanitärer Korridore“ in anderen Landesteilen, wo die Regierung die Hoheit abgeben soll. Da eine Verabschiedung der Resolution aussichtslos war, wurden schließlich in einer abgeschwächten Version die Taliban aufgefordert, allen Personen, die das Land verlassen wollten, die Ausreise zu ermöglichen -ohne Erwähnung einer sicheren Zone.

Unterdessen dienten Terroranschläge, die offenbar von lokalen ISIS-Organisationen verübt wurden, als Argument, um die Rückkehr von US- und anderen Streitkräften in das Land zu fordern und Drohnenangriffe durchzuführen.

Das berüchtigte britische Royal Institute of International Affairs (RIIA) wirbt derweil für Krieg mit anderen Mitteln, nämlich finanzielle Kriegsführung. Seit dem 20.8. hat das RIIA eine ganze Reihe von Artikeln dazu veröffentlicht. In einem heißt es: „Während die Afghanen einem harten Winter entgegensehen, wird die afghanische Wirtschaft durch die Schließung von Banken und Überweisungsbüros, den Wertverfall der Währung, die Verknappung von Lebensmitteln und Treibstoff in den Städten, die Preisinflation, die Unterbrechung des Handels und die Unfähigkeit, Löhne zu zahlen, in die Knie gezwungen“. In einem anderen Artikel mit dem Titel „Geld kann die Milch zur Mäßigung der Taliban sein“ wird behauptet: „Ein geschickter Einsatz oder die Verweigerung westlicher Hilfe in Kombination mit anderen Instrumenten kann das Verhalten der Taliban beeinflussen“, zumindest ein wenig.

Wie Helga Zepp-LaRouche am 21.8. bei einem Runden Tisch des Schiller-Instituts betonte (s. SAS 34/21), ist die Idee eines Wirtschaftskriegs ungeheuer töricht. Im Gegenteil sollte der Westen dem Land und allen seinen Komponenten eine Perspektive für eine rasche wirtschaftliche Entwicklung bieten, z.B. durch Einbindung in Chinas Gürtel- und Straßen- Initiative. Dies sei der effektivste Weg, um einen politischen Wandel herbeizuführen.

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