Der Economist beklagt das „Sterben“ der internationalen liberalen Ordnung
Die Medien der Londoner City sind bekanntlich die offensten, was die Darstellung der Absichten (und Illusionen) der Hauptvertreter der transatlantischen „regelbasierten Ordnung“ angeht. So auch in der Einleitung zur Titelstory des Economist dieser Woche, verfaßt von der Chefredakteurin Zanny Minton Beddoes.
Sie schreibt: „Als ich in den 1990er Jahren zu The Economist kam, war die liberale internationale Ordnung auf ihrem Höhepunkt, und das goldene Zeitalter der Globalisierung trieb wirtschaftliche Integration, Zusammenarbeit und finanzielle Freiheit voran. Diese Zeiten sind vorbei. Die globalen Kapitalströme spalten sich jetzt, die Regierungen der Welt verhängen mehr als viermal so häufig Sanktionen, und die vom Westen geführten Institutionen sind entweder im Verfall begriffen oder nicht mehr existent. Unsere Titelgeschichte in den meisten Ländern der Welt ist eine klare Botschaft: Die alte Ordnung liegt im Sterben. Ihr Zusammenbruch könnte plötzlich und unumkehrbar sein.“
In einem der Artikel des Dossiers wird untersucht, wie „die liberale Ordnung langsam zerfällt“. Dort heißt es: „Seit Jahren wird die Ordnung, die die Weltwirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg geprägt hat, ausgehöhlt. Heute steht sie kurz vor dem Zusammenbruch. Eine besorgniserregende Anzahl von Anlässen könnte einen Abstieg in die Anarchie auslösen, in der die Macht das Recht hat und Krieg wieder das Mittel der Großmächte ist. Und selbst wenn es nie zu einem Konflikt kommt, könnten die Auswirkungen eines Zusammenbruchs der Normen auf die Wirtschaft schnell und brutal sein.“
Minton Beddoes hat sicherlich Recht, was den Zusammenbruch der alten Ordnung angeht, wie wir immer wieder dokumentiert haben. Die Länder des Globalen Südens, oder besser gesagt des „Nicht-Westens“, lehnen dessen willkürlich auferlegte „Werte“ zunehmend ab und entlarven seine Heuchelei, die nicht krasser sein könnte als bei dem Völkermord, der sich in Gaza vor den Augen der Welt abspielt (s.u.).
Fast genauso beunruhigt sind die transatlantischen Eliten über die wachsende Revolte in der eigenen Bevölkerung gegen die Politik ihrer Regierungen, insbesondere unter Studenten und anderen jungen Menschen. Alex Karp, der milliardenschwere Chef der Überwachungsfirma Palantir, brachte diese Befürchtung kürzlich auf den Punkt. Auf einem Forum letzte Woche warnte er: „Wir denken, daß diese Dinge, die vor allem an den Universitäten passieren, nur ein Nebenschauplatz sind – nein, sie sind die Hauptsache. Denn wenn wir die intellektuelle Debatte verlieren, werden wir im Westen niemals eine Armee einsetzen können.“
In ihrer Berichterstattung dazu weist die Kolumnistin Caitlin Johnstone darauf hin, worum es sich bei Palantir handelt: „ein von der CIA unterstütztes Überwachungs- und Data-Mining-Technologieunternehmen, das enge Verbindungen zum US-Geheimdienstkartell wie auch zu Israel unterhält und eine entscheidende Rolle sowohl im ausufernden Überwachungsnetzwerk des US-Imperiums als auch bei den israelischen Greueltaten gegen die Palästinenser spielt“.
Wenn solche Kreise befürchten müssen, „die intellektuelle Debatte zu verlieren“, bedeutet dies, daß die Demonstranten und die Internationale Friedenskoalition (IPC, s.u.) eine große Wirkung haben.
Deshalb ist es jetzt an der Zeit, eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur im Geiste des Westfälischen Friedens, wie sie das Schiller-Institut vorschlägt, auf die internationale Agenda zu setzen.